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Großes Interesse an Hilfe für Angehörige von Erdbebenopfern

Beim Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion im Februar starben Zehntausende Menschen. Angehörige in Berlin bekommen seitdem psychologische Unterstützung. Einige leiden unter schweren Folgen.

Erdbebenopfer
Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien Anfang Februar bekommen Angehörige in Berlin psychologische Unterstützung. Foto: Boris Roessler
Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien Anfang Februar bekommen Angehörige in Berlin psychologische Unterstützung.
Foto: Boris Roessler

Die im Februar eingerichtete Spezialsprechstunde für in Berlin lebende Angehörige von Erdbebenopfern in der Türkei und in Syrien ist auf großes Interesse gestoßen. Wegen der hohen Nachfrage werde das türkischsprachige Angebot am Zentrum für transkulturelle Psychiatrie bis mindestens Mitte Mai verlängert, sagte einer der behandelnden Psychiater, Serkan Basman, der Deutschen Presse-Agentur. Ursprünglich sei eine Laufzeit bis Ende März geplant gewesen.

Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien Anfang Februar hatte ein Behandlungsteam des Zentrums für transkulturelle Psychiatrie am Humboldt-Klinikum Ende Februar die Spezialsprechstunde kurzfristig eingerichtet. Angehörige können dort psychiatrisch-psychologische Unterstützung bekommen. Schwerpunkt des Zentrums sind ein kultursensibler Ansatz und muttersprachliche Behandlung, in dem Fall auf Türkisch und Arabisch.

Hohe Nachfrage an Sprechzeiten

»Ich dachte nicht, dass es so viele Leute gibt, die so eine Sprechstunde brauchen«, sagte Basman. Rund 50 türkischsprachige Patientinnen und Patienten habe er bislang betreut. Wegen der unerwartet hohen Nachfrage habe er die Sprechzeiten von anfänglich zwei Stunden pro Woche auf den kompletten Freitagnachmittag ausgeweitet. Außerdem soll in den kommenden Wochen eine Gruppentherapie angeboten werden.

Das arabischsprachige Team bietet die Sprechstunde nach Angaben einer Vivantes-Sprecherin wegen sinkender Nachfrage nur noch bis Ende April an. Rund 20 Patienten hätten das Angebot wahrgenommen. Laut der Sprecherin können sich Betroffene aber auch unabhängig von der Spezialsprechstunde sich für einen Behandlungstermin an die interkulturelle Institutsambulanz wenden.

»Manche essen und trinken lange nichts«

Einige von Basmans Patienten haben das Erdbeben selbst vor Ort miterlebt, andere sind später in das Erdbebengebiet gereist, um zu helfen oder haben Angehörige durch das Unglück verloren, wie der Psychiater berichtet. Die Sprechstunde gebe ihnen die Möglichkeit, über ihre Hilflosigkeit, die Trauer, Schuldgefühle und auch Wut zu sprechen. Einige litten unter Depressionen oder Antriebslosigkeit. »Manche essen und trinken lange nichts, manche kommen nicht aus dem Bett raus, manche verlassen die Wohnung nicht.«

Basman kann die Gefühle seiner Patienten gut nachvollziehen: Er selbst kommt aus der türkischen Stadt Adana, die ebenfalls vom Erdbeben getroffen wurde. Seine Eltern, die zur Zeit des Unglücks in der Erdbebenregion waren, habe er damals zu sich nach Berlin geholt. »Die konnten eine Woche lang nicht schlafen.« Um etwas gegen die eigene Hilflosigkeit zu tun, sei er auf die Idee mit der Sprechstunde gekommen. Den Patienten helfe es, dass er ihnen ganz einfach zuhöre, sagte der Psychiater. Einige Patienten mit besonders schwerer Belastung seien zudem in die Tagesklinik aufgenommen worden, was eine zusätzliche Unterstützung sei.

© dpa-infocom, dpa:230420-99-379942/2