Was sich am Freitagnachmittag in einem Schulzentrum bei Lohr am Main abspielte, ist auch drei Tage nach dem Fund eines toten Jugendlichen unklar. Doch einige Details konnten die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft Würzburg bereits klären.
So zum Beispiel die Herkunft der Waffe, mit der der 14-Jährige offenbar von einem Gleichaltrigen erschossen wurde. Ein 66-Jähriger Nachbar des mutmaßlichen Täters sei als Eigentümer der Pistole identifiziert worden, teilten die Ermittlungsbehörden mit.
Als dringend tatverdächtig gilt ein 14-Jähriger, gegen den noch am Samstag ein Haftbefehl wegen Mordes erging. Zu den Hintergründen gibt es noch keine Erkenntnisse. Ging es um Drogengeschäfte oder Geldschulden, wie in sozialen Netzwerken gemunkelt wurde? Spekulationen, zu denen die Polizei bislang nichts sagt, auch weil sich der Jugendliche nach Behördenangaben noch nicht geäußert haben soll.
Man ermittele intensiv, teilte das Polizeipräsidium Unterfranken mit, das bei der Kripo die Ermittlungskommission Nägelsee eingerichtet hat - benannt nach dem Schulzentrum in Lohr. Und immer noch werden Zeugen gesucht.
Waffenbesitzer im Krankenhaus
Herausfinden wollen die Ermittler unter anderem, wie der Tatverdächtige an die 9-Millimeter-Pistole kommen konnte. Dazu waren sie bereits am Samstag in der Wohnung des 66-Jährigen. Er habe seine Waffe legal besessen und über sämtliche Erlaubnisse verfügt, berichteten sie. Zudem habe er seine Waffen ordnungsgemäß aufbewahrt. Den Mann selbst fragen konnten sie noch nicht. Er liege im Krankenhaus, und sein Gesundheitszustand sei für eine Vernehmung zu schlecht.
Ein 15-Jähriger hatte die Polizei am Freitagnachmittag auf die Geschehnisse aufmerksam gemacht. Wenig später entdeckten Streifenbeamte den toten 14-Jährigen. Er lag in einem Gebüsch nahe des Schulzentrums, wo er die Mittelschule besuchte - das grüne Klassenzimmer, wie die kleine Grünanlage auch genannt wird. Gegen 18.00 Uhr wurde ein Gleichaltriger als mutmaßlicher Täter festgenommen.
Für die Menschen in Lohr ist der Tod des 14-Jährigen ein Schock. Eigentlich ist ihr Ort für eine der ältesten Karfreitagsprozessionen Deutschlands bekannt. Nun also ein Mord unter Jugendlichen. »Nicht in Worte zu fassen...«, schrieb die Gustav-Woehrnitz-Mittelschule auf ihrer Internetseite, daneben eine schwarze Trauerschleife.
Auch der Erste Bürgermeister Mario Paul ist erschüttert: »Die Bedrückung in unserer Stadt lässt sich kaum in Worte fassen«, sagte er. Am Dienstag um 16.15 Uhr ist ein Trauergottesdienst in der Stadtpfarrkirche St. Michael geplant. Die Verwaltung der 15.000-Einwohner-Stadt verwies zudem auf Hilfsangebote für Trauernde, darunter Notfalltermine der Psychiatrischen Institutsambulanz Lohr.
Kirche spricht von »Ohnmacht«
Bereits am Sonntag hatte die katholische Stadtpfarrkirche St. Michael für die Menschen offengestanden. Ansprechpartner und Seelsorger verschiedener Einrichtungen und Religionsgemeinschaften seien vor Ort gewesen, teilte die Stadtverwaltung mit.
Der Lohrer Pfarrer Sven Johannsen sprach von der Ohnmacht angesichts solcher Ereignisse. »Jetzt ist es hier geschehen in unserer kleinen Stadt, die mit Romantik und märchenhafter Idylle wirbt«, schreibt er auf der Internetseite der Pfarrei. Das Opfer sei ein Jugendlicher aus einem Dorf im Spessart, »in dem noch immer bald jeder jeden kennt und man stolz ist auf Zusammenhalt und Vereinsleben«. Er warnte aber vor dem Vorurteil, dass die Welt früher besser gewesen sei. »Das glaube ich nicht. Die Nachrichten haben uns nur nicht so schnell erreicht und wir waren nicht so umfassend informiert, wie es die Medien heute leisten.«
© dpa-infocom, dpa:230911-99-152238/4