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Gericht: Kein Schmerzensgeld nach Polizeischuss

Bei einem Polizeieinsatz war eine Frau angeschossen worden und hatte wegen ihrer Verletzungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro verlangt. Das Landgericht München I sieht das anders.

Landgericht München
Das Gerichtsgebäude mit Amtsgericht, Landgericht I und II in München, das Oberlandesgericht und die Staatsanwaltschaft in der Nymphenburger Straße. Foto: Sven Hoppe
Das Gerichtsgebäude mit Amtsgericht, Landgericht I und II in München, das Oberlandesgericht und die Staatsanwaltschaft in der Nymphenburger Straße.
Foto: Sven Hoppe

Einer bei einem Polizeieinsatz angeschossenen Frau steht nach Ansicht des Landgerichts München I kein Schmerzensgeld zu. »Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es in der konkreten Situation keine andere effektive Abwehrmöglichkeit mehr gab«, teilte das Gericht am Mittwoch mit.

Die Klägerin war im September 2020 während eines Polizeieinsatzes angeschossen worden und hatte wegen ihrer Verletzungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro verlangt. Ihr Ehemann hatte damals den ärztlichen Bereitschaftsdienst gerufen, weil seine Frau akute psychische Probleme hatte.

Arzt und Polizisten mit Messer bedroht

Sie bedrohte nicht nur den Bereitschaftsarzt, der in seinen Dienstwagen floh, mit einem Messer, sondern auch die herbeigerufenen Polizeibeamten. Mit einem 25,5 Zentimeter langen Messer ging sie laut Gericht auf die Polizisten los. Einer der Beamten schoss ihr daraufhin in den Bauch. Die psychisch kranke Frau musste mehrmals operiert werden und wochenlang im Krankenhaus bleiben.

Sie gab vor Gericht an, dass eine Notwehr auch anders möglich gewesen wäre als mit einem Schuss in den Bauch. Schließlich seien mehrere Polizisten vor Ort gewesen, die sie auch mit Pfefferspray oder einem Schlagstock hätten überwältigen - oder zumindest auf Arme oder Beine hätten zielen können.

Das Gericht sah das anders: »Zur Überzeugung der Kammer handelte der Polizeibeamte nicht amtspflichtwidrig«, hieß es in der Justizmitteilung. »Insbesondere wurde auch das für Polizeieinsätze geltende Übermaßverbot nicht verletzt.« Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Zahlen rückläufig

In den vergangenen zehn Jahren sind 51 Menschen in Bayern durch Schüsse von Polizisten verletzt worden, neun wurden seit 2014 getötet. Das geht aus Zahlen des bayerischen Landeskriminalamtes hervor. Insgesamt geht die Zahl der Schusswaffeneinsätze bei der Polizei in Bayern tendenziell zurück, wie aus den LKA-Zahlen hervorgeht. Im Jahr 2014 ermittelte das zuständige Dezernat 13, das in solchen Fällen standardmäßig Ermittlungen aufnimmt, noch gegen elf Polizisten. Im vergangenen Jahr waren es sieben. Für 2023 liegt laut LKA bislang ein Fall mit einem Verletzten vor.

In Deutschland ist der Schusswaffengebrauch gegen Menschen die Ausnahme, nicht die Regel, zeigen Daten des Polizeitechnischen Instituts (PTI) für 2021. Bei insgesamt 17 517 Fällen von Schusswaffengebrauch wurde danach in 139 Fällen auf Menschen geschossen, darunter waren 60 Warnschüsse. Die Zahl der direkten Schüsse wurde mit 51 beziffert. Dabei gab es 2021 insgesamt acht Tote und 31 Verletzte. Keiner der Fälle wurde anschließend als unzulässig eingeordnet. Als Anlass für den Schusswaffengebrauch wurden in 53 Fällen Notwehr und Nothilfe sowie Gefahr für Leib und Leben geltend gemacht.

In der Auflistung »Polizeischüsse« des Institut für Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit in Berlin heißt es, im Jahr 2022 seien zehn Menschen bei Polizeieinsätzen durch Schüsse getötet worden.

© dpa-infocom, dpa:230419-99-371770/2