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Aktuell INTERVIEW

»Gemeinsam singen macht glücklich«

In seinem aktuellen Kinofilm spielt Florian David Fitz einen vergessenen Popstar auf der Suche nach Glück

Florian David Fitz rät zur Vorsicht bei den sozialen Medien. FOTO: WILK
Florian David Fitz rät zur Vorsicht bei den sozialen Medien. FOTO: WILK
Florian David Fitz rät zur Vorsicht bei den sozialen Medien. FOTO: WILK

BAD OLDESLOE. Singen macht glücklich. Das ist die Botschaft des neuen Films von Florian David Fitz, der in der berührenden Komödie »No Hit Wonder« (Kinostart: 30. Oktober) die Hauptrolle spielt und auch wieder das Drehbuch schrieb. Er glänzt in der Rolle des abgehalfterten Popstars Daniel Nowak, der seit 20 Jahren denselben Hit spielt, nach einem gescheiterten Suizidversuch in einer psychiatrischen Klinik landet, dort auf die Glücksforscherin Lissi (Nora Tschirner) trifft und sich als Zugpferd für die Patienten-Chorgruppe einspannen lässt. Im Interview spricht der preisgekrönte Schauspieler, studierte Musiker und zweifache Vater über Glück, Ruhm und die Magie des gemeinsamen Singens.GEA: Herr Fitz, was hat Sie als Drehbuchautor zu dieser Geschichte bewegt über einen Chor aus depressiven Menschen, die beim gemeinsamen Singen ihre Lebensfreude wiederfinden?

Florian David Fitz: Am Anfang stand tatsächlich die ganz simple Frage, ob singen glücklich macht. Es ist zwar wissenschaftlich erwiesen, das gemeinsames Singen glücklich macht, aber die Frage ist ja, was genau macht die Menschen so glücklich, wenn sie zusammen singen.

Haben Sie inzwischen eine Antwort darauf gefunden?

Fitz: Ich glaube, ein entscheidender Punkt ist, das eigene Ego einen kurzen Moment aufzugeben, spürbar in etwas Gemeinsames einzutauchen und darin miteinander aufzugehen. Deshalb habe ich mich gefragt: Was bedeutet das im Umkehrschluss? Warum sind so viele Leute in unserer Gesellschaft unglücklich? Was fehlt ihnen zum Glücklichsein? Dabei kam ich auf das Thema der Vereinzelung und Vereinsamung. Heute wird oft suggeriert, dass jeder sein Glück selber suchen möge und jeder seines Glückes Schmied sei. Gleichzeitig sind die Menschen trotzdem einsam und fühlen sich allein gelassen mit ihren einzelnen Schicksalen – unabhängig von Wohlstand und sozialem Status.

»Ein entscheidender Punkt ist, das eigene Ego einen kurzen Moment aufzugeben«

 

 

Und wie kamen Sie ausgerechnet zur Figur des glücklosen Popstars Daniel Nowak, der seine beste Zeit schon lange hinter sich hat und den Sie mit viel Spielfreude verkörpern?

Fitz: Durch die Überlegung, welche komödiantische Hauptfigur am ungeeignetsten wäre, um andere Menschen zum Singen zu bringen. In dieser Rolle steckt gleichzeitig eine große Komödie und Tragödie. Beim Schreiben habe ich nicht nur an Popstars gedacht, die irgendwann mal einen einzigen Hit hatten, sondern zum Beispiel auch an die Schlagerikone Rex Gildo. Das könnte jeder Star sein, der mal einen richtig bekannten Song hatte – einen Hit, der zu seinem Wohl und Wehe wurde. Da braucht es nicht viel Fantasie, um zu sagen: Wenn du einen Song so lange singen musst, ihn irgendwann gefühlt in jedem Baumarkt performst, dann hat das etwas sehr Tragisches. Da seine Würde zu behalten, das ist sicher nicht easy. Und das war für mich als Autor eine Superausgangslage für jemanden, der dann mit Leuten konfrontiert wird, die ihn unfreiwillig zurück zur eigentlichen Musik bringen – und zu seinem verlorenen Glück.

Wie definieren Sie Glück?

Fitz: Glück ist ein momentanes Gefühl. Glück ist ein chemischer Zustand, der per se kurz ist. Der kann nicht lange andauern, das geht chemisch gar nicht. Man kann aber natürlich nach Dingen streben, die uns längerfristig glücklich machen – wie Zufriedenheit, Lebensfreude und Frieden.

Kann man in einer Zeit von Kriegen und Krisen heute überhaupt noch glücklich sein?

Fitz: Sie meinen: Dürfen wir glücklich sein, wenn’s der Welt scheiße geht? Ich denke: Ja, das müssen wir sogar. Das heißt jetzt nicht, dass wir uns selbstzufrieden zurücklehnen und sagen: Ist doch alles fein. Ich finde, das ist eine Challenge, sich in düsteren Zeiten nicht von düsteren Gedanken mitreißen zu lassen. Ich finde es interessant, wie sich da gerade so eine Art Massenpsychologie entwickelt, wie man am besten damit umgeht, dass die Welt gerade aus dem Ruder läuft.

Welche Rolle spielen, Ihrer Meinung nach, die Medien dabei?

Fitz: Ich glaube, dass man sich ein bisschen unabhängig machen muss von den Medien, um heute glücklich zu sein. Man muss nicht nonstop Nachrichten konsumieren und – um es bildhaft zu sagen – nicht jeder Sau, die durchs Dorf getrieben wird, nachschauen. Deshalb funktioniert ja Trump auch so gut, weil er genau diesen Mechanismus bedient und das Spiel mit unserer Sensationslust beherrscht. Ich würde jedem vorschlagen: Such dir ein gutes Medium, ein Qualitätsmedium, und glaube nicht den Schlagzeilen im Netz. Wähle die Menschen, die eine anständige politische Richtung vertreten, die keine Menschen ausgrenzt. Denn es ist gerade schon schwer genug, eine Demokratie zu navigieren. Wir alle haben doch diesen Kinderwunsch, man möge die Welt wieder in Ordnung bringen. Diese kindliche Zuversicht, dass am Ende alles gut wird, sollten wir uns bewahren.

»Such dir ein Qualitätsmedium, und glaube nicht den Schlagzeilen im Netz«

 

 

Wenn Sie König von Deutschland wären…

Fitz: … dann würde ich erst mal unseren Umgang mit den sozialen Medien unter Kontrolle kriegen.

»No Hit Wonder« zeigt die Abgründe des Social Media-Konsums. Wie kritisch sehen Sie selber die sozialen Medien?

Fitz: Ich will mich diesen Medien nicht versperren, das kann ich auch gar nicht, aber ich möchte, dass wir wahrnehmen, was dieser Konsum mit uns macht. Die sozialen Medien sind wie ein einarmiger Bandit. Es scheint mein freier Wille zu sein, ob ich an diesem Arm ziehe oder nicht. Das ist es aber nicht. Denn der einarmige Bandit spricht etwas genetisch Angelegtes in mir an, sodass der freie Willen nicht mehr richtig funktioniert. Auch die sozialen Medien triggern Dinge in uns, die den freien Willen blockieren – zum Beispiel Gefallsucht und den Drang, permanent Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Die sozialen Medien waren zunächst eine harmlose Erfindung, aber jetzt merken wir gerade, wie sie unsere Psyche und unsere Gesellschaft formen. Und das Hauptproblem ist, wir können uns nicht mehr auf eine Realität einigen.

Trotz Ihrer Skepsis haben Sie bei Instagram immerhin beachtliche 538.000 Follower.

Fitz: Das ist ein Teil meines Berufs. Privat bin ich nie jemandem gefolgt, deshalb hatte es mich auch nie angesprochen, da selber abzujunken. Denn sobald man anfängt, jemandem zu folgen, ist das wie ein Dominoeffekt. Plötzlich scrollt man sich durch die Weltgeschichte und bekommt immer mehr Follower. Dieses Prinzip funktioniert unglaublich gut, und das ist das eigentliche Problem. Ich hoffe, dass wir alle irgendwann – in vielleicht zehn Jahren – zurückblicken und feststellen: »Wow, damals haben wir unsere Demokratie an ihre Grenzen gebracht, weil wir keine gemeinsame Realität mehr hatten.« Deshalb müssen wir das heute irgendwie einfangen, zumindest bei den Kindern.

Viele Jugendlich streben im Internet nach »fame« – so wie die Filmfigur Elaha. Warum wollen auch viele erwachsene Menschen, Ihrer Ansicht nach, berühmt sein?

Fitz: Das ist auch wieder so ein ursprünglich in uns angelegter Wunsch. Jedes Kind, das auf einen Baum klettert und ruft: »Hier bin ich, guck mal her, schau was ich kann!«, will gesehen werden. Ich glaube, wir alle wollen gesehen und anerkannt werden. Das ist ein ganz natürlicher Wunsch, und der wird im Internet ausgiebig bedient. Ich selber übe als Schauspieler ja auch einen Beruf aus, in dem es ums Gesehenwerden geht. Wem sollte ich das also absprechen? Aber zu glauben, dass mich mehr Aufmerksamkeit glücklicher macht, das ist ein Trugschluss. Das funktioniert definitiv nicht. Das sieht man an vielen bekannten Leuten – wie zum Beispiel Michael Jackson – die sehr berühmt, aber trotzdem nicht glücklich waren.

Der Film feiert das gemeinsame Singen als ein Schlüssel zum Glück. Welcher Song macht Sie besonders glücklich?

Fitz: Da gibt es einige. Ich find zum Beispiel »Man in the Mirror« superschön. Ich liebe auch »My Way«. Der wird auch gerne beim Karaoke genommen (lacht). Aber den kann man eigentlich nicht gebührend singen, wenn man nicht mindestens Harald Juhnke ist (schmunzelt). Und zum Tanzen mag ich gerne die sehr trashigen Songs aus meiner Jugend. Wenn jemand auf einer Party – das passiert dann meist gegen 3 Uhr nachts – irgendwann »I wanna dance with somebody« auflegt, stürmen alle Leute meiner Generation auf die Tanzfläche (lacht herzhaft).

»Wir erzählen was, was tatsächlich wahr ist. Uns ist jetzt dasselbe passiert wie den Figuren im Film«

 

Es geht im Film auch um mentale Gesundheit. Ist dieses Thema inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen, oder wird es, Ihrer Meinung nach, immer noch tabuisiert?

Fitz: Stefan (eine Filmfigur, die an Depressionen leidet) meint zwar, dass ein Burnout in seinen Kreisen cooler klingt als eine Depression. Weil ein Burnout aus seiner Sicht nach »Ich habe zu viel gearbeitet« klingt und eine Depression eher nach »Ich krieg mein Leben nicht unter Kontrolle«. Aber ich denke, auch über eine Depression kann man heute offen reden. Vor allem im Vergleich zu früheren Generationen wissen wir heute viel viel mehr über mentale Gesundheit und gehen viel viel offener damit um. Das kam ja auch aus Amerika rüber. Wenn man die Generation meiner Eltern gefragt hätte, ob sie in Therapie gehen, dann hätten sie sich an den Kopf gelangt und gemeint: »Um Gottes willen, was denken denn die Leute?« Heute, denke ich, würde sich niemand schämen, sich Hilfe in Form einer Therapie zu holen. Das ist doch nichts anderes als ein Arztbesuch. Ich finde, da hat sich schon wahnsinnig viel getan.

Gab es bei den Dreharbeiten einen besonders berührenden Moment?

Fitz: Es gab diesen Moment, als ich gemerkt habe: Ah, es ist tatsächlich viel mehr als dieses Drehbuch. Das war bei den gemeinsamen Proben am Starnberger See. Wir hatten uns dort einen Monat vor Drehbeginn in einem Hotel zusammengefunden und drei Tage lang als Chor diese Stücke eingeübt. Sogar Nora (Tschirner) hat mitgemacht, obwohl sie im Film gar nicht mit im Chor singt. Und dieses gemeinsame Singen hat allen so viel Freude bereitet, dass da etwas ganz Besonderes entstanden ist. Dazu kam noch die Bilderbuchkulisse des Starnberger Sees bei Kaiserwetter. Das war so kitschig schön wie aus der Bierwerbung. Da hab ich gedacht: Ja guck, wir erzählen was, was tatsächlich wahr ist. Uns ist jetzt dasselbe passiert wie den Figuren im Film. Das kann man jetzt gar nicht richtig beschreiben, ohne dass es doof klingt –, aber das war schon sehr magisch. (GEA)

 

ZUR PERSON

Florian David Fitz studierte in Boston Musik und Schauspiel, bevor er seine Karriere auf Theaterbühnen begann. Bis heute war er in mehr als 50 Kino- und Fernsehproduktionen zu sehen. Bekannt wurde er unter anderem durch »Doctor’s Diary«, »Männerherzen«, »Willkommen bei den Hartmanns«, »Wochenendrebellen«, »Der Vorname« »Eingeschlossene Gesellschaft«. Auch als Autor und Regisseur ist der 50-Jährige erfolgreich und überzeugte mit Filmen wie »Vincent will Meer«, »Oskars Kleid«, »Jesus liebt mich« »Der geilste Tag«, »100 Dinge«. Für seine Leistungen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen wie den Grimme-Preis und den Deutschen Filmpreis. 2024 übernahm Fitz die Hauptrolle in der Miniserie »Das Signal«. Die Sci-Fi-Serie war die erfolgreichste deutsche Serie des Jahres auf Netflix. (GEA)