Die internationale Gemeinschaft mobilisiert sieben Milliarden Euro für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien. Gemeinsam habe man die Erwartungen übertroffen, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag nach einer Geberkonferenz in Brüssel. »Wenn es zu einer Tragödie kommt, gibt es nur eine Antwort, und das ist Solidarität.«
Allein Deutschland kündigte an, seine bisher geleistete Erdbebenhilfe für beide Länder auf rund 240 Millionen Euro mehr als zu verdoppeln. Davon werde der größere Teil an die Türkei gehen, »weil da auch der Zugang und die Bedarfe viel klarer und viel einfacher sind als bei Nordwestsyrien«, sagte der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Tobias Lindner, der Deutschen Presse-Agentur.
Nach Angaben von der Leyens unterstützt die EU aus ihrem Haushalt den Wiederaufbau der Türkei mit einer Milliarde Euro. Hinzu kommen für humanitäre und erste Wiederaufbauhilfe in dem Bürgerkriegsland Syrien weitere 108 Millionen Euro. Insgesamt sagten die EU und ihre Mitgliedsstaaten demnach 3,6 Milliarden Euro zu. Der Rest kommt aus dem übrigen Kreis der internationalen Gemeinschaft. Von der Gesamtsumme gehen rund sechs Milliarden Euro an Zuschüssen und Krediten an die Türkei und knapp eine Milliarde an Zuschüssen an Syrien.
Am 6. Februar hatten zwei starke Erdbeben die Südosttürkei und den Norden Syriens erschüttert. Insgesamt kamen fast 57.000 Menschen ums Leben, und Millionen wurden obdachlos. Von der Leyen hatte deshalb zusammen mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zu der Geberkonferenz eingeladen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten hatten bereits unmittelbar nach den Beben Rettungskräfte, Suchhunde und Ausrüstung in die Erdbebengebiete geschickt und finanzielle Hilfszusagen gemacht. Letztere sind in dem nun genannten Gesamtbetrag in Teilen eingerechnet. Dieser besteht sowohl aus Zuschüssen als auch aus Krediten.
Nun geht es um den Wiederaufbau
»Wir müssen unsere Unterstützung aufrechterhalten und den Überlebenden nicht nur beim Überleben helfen, sondern auch beim Wiederaufbau ihres Lebens«, sagte von der Leyen. Sie betonte, dass Häuser, Schulen und Krankenhäuser mit höchsten Standards für Erdbebensicherheit wiederaufgebaut werden müssten. Dass das vor den verheerenden Beben nicht der Fall war, gilt vielen Menschen in der Türkei als ein Grund für das Ausmaß der Katastrophe. Zudem müssten die Wasserversorgung, die Abwassersysteme und andere wichtige Infrastrukturen repariert werden, sagte von der Leyen. Sechs Wochen nach der Katastrophe liegen diese vielerorts noch brach.
Wie dramatisch die Lage ist, machte Achim Steiner, Chef des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), deutlich. Es gehe darum, den Menschen Hoffnung und eine Perspektive zu geben, sagte Steiner der dpa. Viele seien obdachlos oder geflohen. Sie müssten überzeugt werden, dass sie in den betroffenen Regionen wieder eine Existenz aufbauen können.
Allein in der Türkei ist die offizielle Zahl der Toten nach Angaben von Präsident Recep Tayyip Erdogan mittlerweile auf mehr als 50.000 gestiegen. Der materielle Schaden betrage rund 104 Milliarden Dollar, sagte Erdogan, der per Video zugeschaltet war. Knapp 300.000 Gebäude seien stark beschädigt worden. Nach Regierungsangaben sind 3,7 Millionen Menschen aus der Region evakuiert worden, knapp zwei Millionen Menschen leben in Zelten. Zugleich bereitet sich das Land auf Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 14. Mai vor. Die Regierung steht wegen ihres Krisenmanagements heftig in der Kritik.
Syrien muss länger auf Hilfe warten
In Syrien kommt die Hilfe nach den Erdbeben deutlich langsamer an als in der Türkei. Nach zwölf Jahren Bürgerkrieg ist das Land zersplittert und in weiten Teilen zerstört. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte kamen bei den Beben in dem Land rund 6800 Menschen ums Leben.
Schon vor der Katastrophe benötigten dieses Jahr etwa 70 Prozent der Bevölkerung humanitäre Hilfe. Nun sind nach UN-Angaben mehr als eine halbe Million Menschen obdachlos geworden. Viele von ihnen leben in überfüllten Sammelunterkünften mit mangelhafter Hygiene - zusätzlich zur schon zuvor großen Zahl an Vertriebenen.
Weil die Regierung von Baschar al-Assad brutal gegen die eigene Bevölkerung vorgeht, will die EU nicht für den Wiederaufbau des Landes aufkommen. Deshalb beschränkt sie ihre Hilfe auf humanitäre Unterstützung und den notwendigsten Wiederaufbau - etwa die Reparatur von Wasserleitungen. Weitere Hilfe für das Land soll bei einer Geberkonferenz im Juni gesammelt werden.
Die syrische Regierung kritisierte die Geberkonferenz vom Montag indes und warf den Veranstaltern in Anspielung auf bestehende Sanktionen »illegale, unmenschliche und unmoralische Zwangsmaßnahmen« gegen Syrien vor.
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