Die DKFZ-Fachleute um Hermann Brenner hatten sich mit ausgewählten Risikofaktoren für Krebs befasst. Eine Studie widmet sich Rauchen und Alkohol, die zweite Übergewicht, geringer körperlicher Aktivität und ungesunder Ernährung. In einer dritten Untersuchung geht es um den Einfluss von Infektionen und Umweltfaktoren wie Feinstaub.
Von 440 000 erwarteten Krebsneuerkrankungen in diesem Jahr bei 35- bis 84-Jährigen sind den DKFZ-Rechnungen zufolge geschätzt rund 165 000 (37,4 Prozent) den untersuchten Risikofaktoren zuzuschreiben. Von fünf Krebserkrankungen hätten sich also etwa zwei mit einem gesünderen Lebensstil verhindern lassen.
Weil weitere Faktoren wie UV-Strahlung nicht berücksichtigt wurden, dürfte der tatsächliche Anteil vermeidbarer Krebserkrankungen noch höher liegen, merken die Forscher an. Klar muss aber auch sein, dass selbst der vorbildlichste Lebensstil keinen absoluten Schutz vor Krebs bietet.
Die Ergebnisse im Einzelnen:
RAUCHEN: Tabakkonsum macht der Hochrechnung zufolge den Großteil der vermeidbaren Fälle aus. Fast jede fünfte neu diagnostizierte Krebserkrankung in diesem Jahr wird demnach auf das Rauchen zurückzuführen sein. Von 440 000 zu erwartenden Neuerkrankungen hängen demnach geschätzt 85 000 mit Tabakkonsum zusammen.
ALKOHOL: Von den erwarteten Neuerkrankungen werden in diesem Jahr rund 9600 (ca. 2 Prozent) auf hohen Alkoholkonsum zurückgehen. »Für Frauen gibt es zwar mehr alkoholassoziierte Krebsarten, doch insgesamt ist die Gesamtzahl der alkoholattributablen Krebsfälle bei Männern mehr als fünfmal so hoch wie bei Frauen«, schreiben die Forscher. Ein Grund ist demnach auch, dass Männer mehr Alkohol trinken als Frauen.
ÜBERGEWICHT UND WENIG BEWEGUNG: Die Studie zeigt einen Zusammenhang von Übergewicht und geringer körperlicher Aktivität für das Auftreten von Krebs bei Menschen zwischen 35 bis 84 Jahren in Deutschland. Von den im Jahr 2018 zu erwartenden Neuerkrankungen werden demnach etwa 30 600 (ca. 7 Prozent) auf Übergewicht und etwa 27 100 (ca. 6 Prozent) auf geringe körperliche Aktivität zurückzuführen sein.
ERNÄHRUNG: Rund 14 500 (ca. 3 Prozent) der erwarteten Erkrankungen werden den Forschern zufolge mit einer geringen Ballaststoffzufuhr zusammenhängen, rund 9500 (ca. 2 Prozent) mit geringer Obst- und Gemüsezufuhr, weitere etwa 9500 mit Wurstverzehr und rund 1700 (ca. 0,4 Prozent) mit hohem Verzehr von rotem Fleisch sowie rund 1200 (ca. 0,3 Prozent) mit hohem Salzkonsum.
INFEKTIONEN: Für das Jahr 2018 werden nach Schätzungen der Forscher mehr als 17 600 Krebsfälle auf Infektionen zurückzuführen sein, das entspricht rund 4 Prozent aller Neuerkrankungen. Das Bakterium Helicobacter pylori und humane Papillomaviren tragen demnach am meisten zu diesen Krebsfällen bei.
UMWELTFAKTOREN: Mehr als 5400 Krebsfälle - 1,2 Prozent aller Neuerkrankungen - werden auf Umweltfaktoren zurückgehen. Der umweltbedingte Risikofaktor mit dem größten Anteil ist demnach das radioaktive Gas Radon in Innenräumen, gefolgt von Feinstaub, Solariennutzung und Passivrauchen.
Traumhafte Erfolgsmöglichkeiten also für die Prävention? Forscher sind vorsichtig. Schließlich sei fraglich, ob sich ein Risikofaktor komplett eliminieren lasse, erklärt Alexander Katalinic von der Universität zu Lübeck im Editorial. »Wie wirklichkeitsnah sind eine Raucherquote von 0 Prozent, der komplette Verzicht auf Wurstwaren oder ein normaler Body-Mass-Index für die gesamte Bevölkerung?«
Wertvoll seien die vorgestellten Werte aber sehr wohl: »Die Quantifizierung von vermeidbaren Krebserkrankungen kann der Gesundheitspolitik und der Bevölkerung das Setzen von Prioritäten erleichtern.« Dringend notwendig sei ein komplettes Werbeverbots für Tabakprodukte, so Katalinic. »Dies gilt umso mehr, als Rauchen weitere Erkrankungen verursacht, die nicht weniger bedeutsam sind als Krebs.«
Die DKFZ-Forscher hatten für ihre Hochrechnungen das Konzept der sogenannten populationsattributablen Fraktion (PAF) für Risikofaktoren genutzt. Die PAF ergibt sich demnach aus dem Verhältnis von Erkrankungsfällen, die einem Risikofaktor zugeschrieben werden können, zu allen Fällen in der Bevölkerung. Die Zahlen und Anteile der dadurch bedingten Neuerkrankungen in Deutschland wurden für das Jahr 2018 geschätzt.
Die Krebssterblichkeit in der EU ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Etwa bei der Entwicklung bei Darmkrebs schneidet Deutschland im EU-Vergleich besonders günstig ab, wie ein internationales Forscherteam jüngst im Fachblatt »Annals of Oncology« schrieb. Die höchste Mortalität in der EU hat den Prognosen der Forscher zufolge Lungenkrebs mit 32 von 100 000 Männern und 15 von 100 000 Frauen. Den Daten zufolge geht in der EU etwa jeder fünfte krebsbezogene Tod auf das Konto von Lungenkrebs.