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Farne halten Ameisen als Bodyguards - und bezahlen sie mit Zucker

Pflanzen wollen nicht gefressen werden. Darum lassen sie sich von Tieren schützen. Doch was bekommen die dafür?

Ein starkes Team: Ameisen schützen Farne vor Fressfeinden. Zur Belohnung bekommen sie Nektar.
Ein starkes Team: Ameisen schützen Farne vor Fressfeinden. Zur Belohnung bekommen sie Nektar. Foto: Svetliy/Adobe Stock
Ein starkes Team: Ameisen schützen Farne vor Fressfeinden. Zur Belohnung bekommen sie Nektar.
Foto: Svetliy/Adobe Stock

KNOXVILLE. Pflanzen können nicht weglaufen. Gegen Fressfeinde müssen sie sich anders schützen. In der Not werden viele erfinderisch: Kakteen zum Beispiel verschrecken hungrige Mäuler mit spitzen Dornen und Nesseln mit stechenden Haaren, Wolfsmilchgewächse mit giftigen Stoffen und Feigen mit klebrigen Säften. Manche Pflanzenarten jedoch lassen die Drecksarbeit andere machen: Sie übernehmen ihre Verteidigung nicht selbst, sondern lagern sie aus. Dafür rekrutieren sie tierische Leibwächter, meist wehrhafte Ameisen. Die Krabbler beißen, stechen und ätzen Angreifer weg. Diese Dienstleistung verkaufen die kleinen Söldner teuer. Als Lohn bieten die einen Pflanzen Wohnraum, die anderen Nahrung. Beliebt ist vor allem süßer Nektar.

Nektar kennt man von Blütenpflanzen. Dort dient er vor allem der Fortpflanzung: Er lockt Bienen und befördert die Bestäubung. Weniger verbreitet ist der Einsatz von Nektar zur Sicherung des eigenen Überlebens. Hier lockt er Ameisen und unterstützt die Abwehr. Die Nektardrüsen sitzen nicht in den Blüten, sondern an den Blättern, den Stängeln und den Wurzeln – und heißen in der Fachwelt sinnigerweise extraflorale Nektarien. Sie kommen vor bei rund 4.000 verschiedenartigen Blütenpflanzen, darunter Kirschen, Pappeln und Holunder. Aber auch bei Farnen, einer ganz anderen botanischen Gruppe.

Überleben und Fortpflanzen

Dass manche Farne ebenfalls mit Nektarien Bodyguards ködern, ist seit rund 150 Jahren bekannt. 1876 beschrieb Francis Darwin, Sohn des bekannten britischen Forschers Charles Darwin, im Fachmagazin »Botanical Journal of the Linnean Society«, wie der Adlerfarn ein süßes Sekret absondert, das gierige Gäste eilig verzehren.

Im Dunkeln lag bislang allerdings, wann, wie und warum die Pflanze-Tier-Symbiose sich in zwei so unterschiedlichen Fauna-Gruppen ausbilden konnte. Dieses Geheimnis zu lüften versuchten jetzt die US-amerikanischen Biologen Jacob S. Suissa von der University of Tennessee in Knoxville sowie Fay-Wei Li und Corrie S. Moreau von der Cornell University in Ithaca. Ihre Studie veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift »Nature Communications«. Dort rekonstruierten sie die Evolutionsgeschichte der Zweckpartnerschaft und gingen dafür Millionen Jahre zurück. Grundlage der Untersuchung waren zwei detaillierte Listen: die eine mit allen bekannten Farnen mit Nektardrüsen sowie Blütenpflanzen mit extrafloralen Nektarien, die andere mit allen Insekten, die nachweislich Farne vespern.

Für die Co-Evolution der Arbeitsbeziehung drängt sich eine verwandtschaftliche Erklärung auf: Blütenpflanzen und Farne gehen zurück auf einen gemeinsamen Vorfahren, der vor Urzeiten mit den Insekten anbandelte. Das klingt wahrscheinlich, ist aber unmöglich. Denn die Wege von Blütenpflanzen und Farnen trennten sich vor 400 Millionen Jahren – lange bevor die ersten Ameisen das Licht der Welt erblickten. Die kleinen Krabbler tauchten erstmals in der Hochphase der Dinosaurier vor 150 Millionen Jahren auf.

Trotzdem entwickelten sich die Pflanze-Tier-Tandems bei Blühern und Farnen zeitgleich: nämlich vor 130 Millionen Jahren. Diese Beobachtung erklären Suissa und Kolleginnen mit dem veränderten Lebensstil der Ameisen. Ursprünglich wohnten die Tiere am Boden und fraßen Fleisch. Dann jedoch entstanden Arten, die ihre Nester auf Bäumen bauten und sich von Pflanzen ernährten. Der Umzug – so vermuten die Biologen – schaffte erstmals Raum für Begegnung, damals entstanden die ersten Kooperationen.

Schutz gegen Zucker

Nach dem Anfangs-Hype nutzten beide Pflanzengruppen die neuen Kampf-gefährten allerdings unterschiedlich: Die Blüher griffen zu, die Farne zögerten. Letztere brachten in 100 Millionen Jahren kaum Arten hervor, die Ameisen-Söldner in Dienst nahmen und sie mit Nektar entlohnten. Doch dann starteten die Farne die Aufholjagd. Inzwischen ziehen sie gleich mit den Blühern: In beiden Gruppen treten Nektarien auf, bei einem Prozent der Spezies, sechs Prozent der Gattungen und einem Viertel der Familien.

Den rasanten Zuwachs an Nektarien verzeichneten Farnarten zu dem Zeitpunkt, als sie sich vom Boden lösten und auf Bäume zogen. Im Kronendach – so glauben die Forscher – trafen die Farne auf Ameisen-bewehrte Blütenpflanzen – und warben das Söldnerheer ab. Bestochen wurden die Überläufer mit Nektar. Darum sind es vor allem die Baumkletterer und die Baumnister unter den Farnen, die mit Nektardrüsen ausgestattet sind. Schutz gegen Zucker: Wenn die Hypothese der Evolutionsbiologen zur Pflanze-Tier-Kooperation stimmt, dann haben sich die stammesgeschichtlich älteren Farne eine naheliegende Überlebensstrategie bei den jüngeren Blühern abgeguckt. (GEA)