Nach der Explosion in einem Ratinger Hochhaus hat die Staatsanwaltschaft Anklage wegen neunfachen versuchten Mordes erhoben. Der Vorwurf richte sich gegen einen 57-jährigen Bewohner des Hauses, teilte die Behörde in Düsseldorf am Freitag mit. Er soll Polizisten und Feuerwehrleute mit mehreren Litern Benzin überschüttet und mit dem Wurf eines brennenden Textils angezündet haben.
Zwei Polizisten sowie sieben Feuerwehrleute und Rettungsdienst-Mitarbeiter waren von einem Feuerball getroffen worden und hatten zum Teil schwerste Verbrennungen erlitten. Die Polizei hatte nach der Explosion am 11. Mai insgesamt 35 Verletzte gezählt. Das Motiv des Verdächtigen, der zu den Vorwürfen weiter schweigt, lässt die Anklage offen.
Die Tat sei heimtückisch und von besonderer Grausamkeit gewesen sowie mit gemeingefährlichen Mitteln verübt worden, sagte Staatsanwältin Laura Neumann über die Mordmerkmale. Daneben wird dem Mann auch besonders schwere Brandstiftung vorgeworfen.
Mit der Leiche der Mutter verbarrikadiert
Der Mann habe eine Nähe zu Verschwörungstheorien. In der Wohnung, in der er sich mit der Leiche seiner Mutter verbarrikadiert hatte, habe er zudem Vorräte über das übliche Maß hinaus gehortet. Die Ermittler gehen davon aus, dass er die Wohnung seit geraumer Zeit nicht verlassen hatte, als die Einsatzkräfte eintrafen. Laut vorläufigem Gutachten des Psychiaters sei er voll schuldfähig.
Die Polizei war wegen eines überquellenden Briefkastens und Verwesungsgeruchs zu seiner Wohnung gerufen worden. Der Einsatzgrund lautete »hilflose Person«. In der Wohnung stießen Einsatzkräfte später auf eine teilweise skelettierte Frauenleiche, die in einem Rollstuhl saß. Dabei handelte es sich um die bereits Wochen zuvor gestorbene Mutter des Verdächtigen. Bei einer Durchsuchung des Kellers des 57-Jährigen fand die Polizei Waffen, Messer und Dolche.
Wenige Tage vor der Tat hatte ein Polizist wegen eines Haftbefehls gegen den 57-Jährigen geklingelt: Er war wegen Körperverletzungen aufgefallen. Deswegen waren zwei Strafbefehle gegen ihn verhängt worden. Weil er eine Geldstrafe nicht bezahlt hatte, sollte er eine Ersatz-Freiheitsstrafe antreten.
Im Zusammenhang mit dem Einsatz nach der Explosion hat es in dem Hochhaus möglicherweise ein Todesopfer gegeben. Ein älterer Mann, der in dem Haus gelebt habe, war gestorben. Durch den mehrstündigen Einsatz hatte er in dem abgeriegelten Gebäude medizinisch nicht versorgt werden können. Ob der Tod tatsächlich durch den Einsatz bedingt war und dem 57 Jahre alten Ratinger auch juristisch anzulasten sei, werde weiterhin geprüft, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
Das Düsseldorfer Landgericht muss nun über die Zulassung der Anklage entscheiden.
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