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Experten gehen von einem Verbleib des Coronavirus aus

Das neue Coronavirus breitet sich aus. Die Schweiz ergreift drastische Maßnahmen. In Deutschland decken sich Menschen mit Vorräten ein. Experten gehen von einem Verbleib des Virus aus.

Schutzmaßnahmen in Seoul
Arbeiter in Schutzkleidung versprühen in einer U-Bahn-Station in Seoul Desinfektionsmittel. Foto: Ahn Young-Joon/AP/dpa
Arbeiter in Schutzkleidung versprühen in einer U-Bahn-Station in Seoul Desinfektionsmittel. Foto: Ahn Young-Joon/AP/dpa

BERLIN. Deutschland wird Experten zufolge mit dem neuen Coronavirus dauerhaft wie mit der normalen Grippe leben müssen.

Der Virologe Christian Drosten erwartet in Deutschland eine der höchsten Fallzahlen Europas, »weil unsere Bevölkerung sehr reisefreudig ist«, wie der Experte von der Berliner Charité am Donnerstagabend im ZDF sagte.

Die Angst vor dem Coronavirus Sars-CoV-2 sorgt inzwischen für erste Hamsterkäufe in Deutschland, wie eine dpa-Umfrage bei Handelsketten ergab. Deutschlands südliches Nachbarland Schweiz hat bis mindestens Mitte März alle Großveranstaltungen verboten.

Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, rechnet frühestens 2021 mit einem Impfstoff. »In ein paar Jahren werden wir mit einer weiteren grippeartigen Erkrankung leben, die Covid-19 heißt und gegen die wir impfen können. Jetzt gilt es den Übergang zu managen«, sagte Montgomery der »Passauer Neuen Presse« vom Freitag.

Der Virologe Drosten sagte in der ZDF-Sendung »Maybrit Illner«: »Wir werden in den nächsten Tagen sehen, dass neue Fälle und kleine Fallgruppen wie die Pilze aus dem Boden schießen werden.«

Bislang gibt es in Deutschland nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) mindestens 53 Nachweise von Coronavirus-Infektionen. Davon sind mindestens 37 Fälle in den vergangenen Tagen bekannt geworden - hauptsächlich in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, wie eine RKI-Liste zeigt. Trotz der neuen Fälle sieht das Institut in Deutschland derzeit noch kein breites Krankheitsgeschehen. Insgesamt bleibe es bei der Einschätzung, dass das Risiko gering bis mäßig sei, sagte der RKI-Vizedirektor Lars Schaade am Freitag.

In den Niederlanden wurde erstmals eine Infektion bestätigt. Damit sind in Europa nun mindestens 19 Länder betroffen, wie aus der Statistik des europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hervorgeht. Laut RKI hat sich die Zahl der Fälle weltweit auf mehr als 83.000 Infizierte in 52 Ländern erhöht. Ein Teil dieser Menschen ist längst wieder geheilt oder hatte von vornherein keine oder kaum Symptome, überstandene Infektionen bleiben in der Statistik aber weiter erfasst.

Handelsketten wie Lidl und Aldi Süd berichteten am Freitag bei einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur von teilweise deutlich erhöhten Verkaufszahlen bei Produkten wie Konserven oder Desinfektionsmitteln. Kurzfristig sei es in einigen Läden zu Engpässen gekommen. Die Supermarktkette Rewe verzeichnete »nicht flächendeckend, aber durchaus bundesweit« eine erhöhte Nachfrage nach haltbaren Lebensmitteln. Der Handelsverband Deutschland (HDE) betonte, die Lieferstrukturen im Handel seien »gut vorbereitet, so dass die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet ist«.

Die Schweiz griff am Freitag zu einer drastischen Maßnahme und verbot alle Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Das Verbot soll bis mindestens 15. März gelten. Das betrifft unter anderem den Genfer Autosalon, der am 5. März starten sollte und zu dem jedes Jahr mehr als 600.000 Besucher kommen. Ebenso trifft es die Basler Fasnacht, die an diesem Montag beginnen sollte.

Am späten Donnerstagabend wurden die ersten Fälle in Norddeutschland und in Hessen gemeldet. Insgesamt stieg die Zahl der in dieser Woche bestätigten Infektionen innerhalb eines Tages auf mehr als 30. Betroffen sind bislang die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Hamburg beziehungsweise Schleswig-Holstein.

In Deutschlands zweitgrößter Stadt Hamburg hat sich ein Arzt der Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) aus Henstedt-Ulzburg (Schleswig-Holstein) infiziert. Es seien etwa 50 enge Kontaktpersonen des Mediziners ermittelt worden, sagte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Die Betroffenen seien auf Sars-CoV-2 getestet worden. »Alle bisher vorliegenden Ergebnisse sind negativ.« Unter den Betroffenen seien 16 Kinder, die mit je einem Elternteil auf Station isoliert worden seien, und 12 ärztliche Mitarbeiter, die zu Hause isoliert seien.

Dem erkrankten Mediziner gehe es gut, sagte UKE-Vorstand Joachim Prölß. Er habe keine Symptome mehr. Prölß betonte, »das UKE ist weiterhin voll handlungsfähig«. Es sei nichts gesperrt. Der Arzt war den Informationen des Krankenhauses und der Behörde zufolge in Italien im Trentino im Urlaub gewesen und am Sonntag an seinen Wohnort zurückgekehrt. Am Montag habe er noch am UKE gearbeitet - und dann am Dienstag während der Arbeit Krankheitssymptome entwickelt. Daraufhin habe er den Dienst abgebrochen.

Allein in NRW sind derzeit geschätzt rund 1000 Menschen in Quarantäne. Tausende Menschen täglich werden bundesweit auf das neuartige Virus getestet - allein in Bayern können nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) derzeit täglich 1200 Proben auf das neuartige Coronavirus untersucht werden. Neben den aktuell Infizierten waren vor mehreren Wochen 16 weitere Sars-CoV-2-Infektionen gemeldet worden - diese Menschen gelten inzwischen alle als virusfrei.

Bei den Beratungen des Krisenstabs der Bundesregierung sollte es am Freitagnachmittag laut Gesundheitsministerium darum gehen, Kriterien zu Großveranstaltungen zu erarbeiten. Diese sollen örtlichen Behörden helfen, konkrete Maßnahmen zu treffen. »Eine Empfehlung wird es nicht geben«, sagte eine Sprecherin. »Die Entscheidung bleibt vor Ort.« Dies gelte etwa auch für die Internationale Tourismusbörse (ITB), die in der kommenden Woche in Berlin ansteht.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beriet mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) über die Lage und lässt sich weiter unterrichten, wie Regierungssprecher Steffen Seibert sagte. Oberstes Ziel sei, die Virus-Ausbreitung einzudämmen sowie die Versorgung infizierter Menschen und die Information der Bürger sicherzustellen.

Die Bundesregierung sucht auch nach Lösungen, um Schutzausrüstung etwa für medizinisches Personal verfügbar zu halten. »Wir müssen uns auf eine Knappheit in dem Bereich einstellen«, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei »Maybrit Illner«. Daher solle geschaut werden, welche Lagerbestände es in Deutschland gebe.

Die meisten Sars-CoV-2-Infizierten haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen oder gar keine Symptome. 15 von 100 Infizierten erkrankten schwer, hieß es vom RKI. Sie bekommen etwa Atemprobleme oder eine Lungenentzündung. Nach bisherigen Zahlen sterben ein bis zwei Prozent der Infizierten, weit mehr als bei der Grippe.

Auch die Wirtschaft bekommt die Furcht vor der Virus-Ausbreitung zunehmend zu spüren: Der wichtigste deutsche Aktienindex Dax fiel am Freitag um mehr als fünf Prozent. Die Sorge um die Folgen der Coronavirus-Ausbreitung belasten seit Tagen die Finanzmärkte weltweit und drückten am Morgen bereits die Börsen in Asien tiefer ins Minus.

In China, dem Ursprungsland des Virus, stieg die Zahl der Todesopfer und Infizierten weiter an. Wie die Pekinger Gesundheitskommission am Freitag mitteilte, lag die Gesamtzahl der offiziell bestätigten Fälle auf dem chinesischen Festland bei fast 79.000. (dpa)

Fragen & Antworten des RKI zum Virus

RKI zum Schutz vor Ansteckung

RKI zum Tragen von Atemmasken

BNO Tracking weltweiter Sars-CoV-2-Infektionen