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Aktuell Städtebau

Ein modernes Venedig im Norden

Eines der größten Stadtplanungsprojekte Europas ist »Aarhus Ø« in der zweitgrößten Stadt Dänemarks

»Isbergjet«, das Eisberg-Haus Aarhus.
»Isbergjet«, das Eisberg-Haus Aarhus.
»Isbergjet«, das Eisberg-Haus Aarhus.

AARHUS. In der zweitgrößten Stadt Dänemarks ist innerhalb der letzten 15 Jahre aus einem alten Containerhafen, dem Nordhavn, ein neues, hippes Stadtviertel, genannt »Aarhus Ø« entstanden. Es ist das größte Hafenfront-Entwicklungsprojekt in Europa. Das Ø steht für »Ost« und gleichzeitig für Insel. Wenn das neue Stadtviertel fertig ist, sollen hier auf 800.000 Quadratmetern 12.000 Menschen wohnen und 10.000 Menschen arbeiten. Zu Beginn der Planungen wurde die Mole angehoben und vier Kanäle eingezogen, die das Viertel in vier Inseln Teilen und im den Charakter eines modernen Venedig geben. Einige Wohnungen haben sogar statt eines Autostellplatzes einen Kanustellplatz. Zugleich sorgte die Stadtverwaltung dafür, dass 25 Prozent aller Wohnungen eine Sozialbindung haben.

Für die Gebäude wurden in Architektenwettbewerbe ausgeschrieben. Kein Haus soll dem anderen gleichen. »Das Bauen am Wasser hat ganz klare Vorteile, denn es zieht internationale Architekten an, die hier ihre Kreativität in Form von spannenden Projekten ausleben«, meint der Projektentwickler Rune Kilden.

Spektakulär ist der Ende 2023 fertiggestellte »Leuchtturm«, ein Wohn- und Aussichtsturm, der nebenbei mit 142 Metern auch das höchste Gebäude Dänemarks ist. Hierbei kam es zu Problemen mit dem instabilen Untergrund und dem zu starken Wind, der Balkone ausschloss. Mehrere Investoren zogen sich zurück, bevor der Turm in modifizierten Version schließlich doch noch fertiggestellt wurde.

Der kuppelfömige »Domen«, der wie eine halbierte Seifenblase aussieht, ist ein Kulturzentrum. In der Kuppel aus Holz und Glas finden Vorträge und Konzerte statt. Spektakulär ist auch »Isbergjet« ein Wohnkomplex, der in seiner Form einem Eisberg nachempfunden ist. In den vier Gebäuden des Eisbergs sind 208 Wohnungen zwischen 55 Quadratmeter und 200 Quadratmeter. Der Gebäudekomplex, der von zwei dänischen, einem französischen und einem niederländischen Büro konstruiert wurde, soll von jeder Wohnung aus einen idealen Blick aufs Meer ermöglichen. Finanziert wurde das Gebäude auch vom dänischen Pensionsfonds.

Belebung durch Wassersport

Zunächst hatte der neue Stadtteil das Image einer Retortenstadt.»Es ist leicht, einen neuen Stadtteil in die Kritik zu nehmen, weil er nicht vom ersten Tag an mit Leben erfüllt ist. Aber es braucht schon eine kritische Masse an Menschen, durch die das Leben vor Ort entsteht«, erzählt Kilden. Deshalb wurden ein Meeresschwimmbad und eine Seilwinde für eine Wakeboarding-Anlage geschaffen, um den jungen Menschen der Universitätsstadt Sportmöglichkeiten zu geben. Außerdem kamen Kultureinrichtungen, Theater und internationale Restaurants hinzu. »Die Leute müssen einen Grund haben, um sich aus dem alten Stadtkern herauszubegeben und Teil des Lebens in Aarhus Ø zu werden«, meint Kilden.

Inzwischen ist Aarhus Ø längst ein pulsierendes Viertel in der insgesamt trotz ihrer knapp 300.000 Einwohner eher gemütlichen Stadt. Stadtplaner und Touristen aus aller Welt bewundern das neuen Viertel, dass 2017 durch den Titel der Kulturhauptstadt Europas besondere Aufmerksamkeit erfuhr.

Was man in Aarhus Ø vergeblich sucht, sind offene Plätze. »Sichtachsen und ansprechende visuelle Zusammenhänge sind schön und wichtig, doch offene Plätze werden schnell problematisch, denn sie eignen sich kaum für das Aufkommen von Leben«, sagt Kilden. Deshalb habe man sich bei der Planung von der Vorstellung offener Plätze wegbewegt. (GEA)