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Deutlich mehr Kinder und Jugendliche mit Mediensucht

Für immer mehr Kinder und Jugendliche verliert die reale Welt an Bedeutung. Sie daddeln stundenlang in sozialen Netzwerken oder spielen Computerspiele. Forscher beobachten eine besorgniserregende Entwicklung.

Jugendliche und soziale Medien
An den Bildschirm gefesselt? Besonders seit der Corona-Pandemie verbringen manche junge Menschen zu viel Zeit mit Computerspielen und sozialen Medien. Foto: Karl-Josef Hildenbrand
An den Bildschirm gefesselt? Besonders seit der Corona-Pandemie verbringen manche junge Menschen zu viel Zeit mit Computerspielen und sozialen Medien.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand

Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland verbringen ihre Zeit in der virtuellen Welt - und das bis zur Abhängigkeit. Einer Studie zufolge sind etwa 680 000 junge Menschen süchtig nach Computerspielen und sozialen Medien. Diese Zahl habe sich während der Corona-Pandemie mehr als verdoppelt, heißt es in einer gemeinsamen Untersuchung der Krankenkasse DAK und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.

Der Anteil der Minderjährigen, die Suchtverhalten bei Social Media aufweisen, stieg demnach seit dem Jahr 2019 von 3,2 auf 6,7 Prozent. Bei der Nutzung von Computerspielen kletterte die Quote von damals 2,7 Prozent auf 6,3 Prozent im vergangenen Jahr. Für die Studie wurde eine repräsentative Gruppe von 10- bis 21-Jährigen aus rund 1200 Familien zu ihrem Umgang mit digitalen Medien befragt. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa führte dafür den Angaben zufolge im Zeitraum von drei Jahren bundesweit in fünf Wellen Befragungen durch.

Von Gaming-Sucht sind vor allem Jungen betroffen

Die Ergebnisse sind nach Einschätzung von DAK-Vorstandschef Andreas Storm alarmierend: »Wenn jetzt nicht schnell gehandelt wird, rutschen immer mehr Kinder und Jugendliche in die Mediensucht, und der negative Trend kann nicht mehr gestoppt werden.« Er fordert einen Ausbau von Prävention und Hilfsangeboten. »Es ist eine neue Entwicklungsaufgabe von Politik und Gesellschaft, dass Kinder und Jugendliche lernen, die Risiken der Nutzung digitaler Medien einschätzen zu können und ihr Nutzungsverhalten zu reflektieren, damit sie die Möglichkeiten der digitalen Welt langfristig für ihr privates und berufliches Leben konstruktiv nutzen können«, sagte Storm.

Vor allem männliche Jugendliche sind der Studie zufolge anfällig: Während die Geschlechterverteilung bei der Abhängigkeit von sozialen Medien noch relativ ausgeglichen ist, sind von einer sogenannten Gaming-Sucht zu zwei Dritteln Jungen betroffen. Von den Kindern und Jugendlichen, deren Nutzung von digitalen Spielen als problematisch gilt, sind 68,4 Prozent männlich.

Mit Mediensucht werden dem Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert zufolge Verhaltensweisen bezeichnet, die viele Merkmale von Sucht oder Abhängigkeit aufweisen. Die Betroffenen hätten beispielsweise ihren Umgang mit Internet und Computerspielen nicht mehr unter Kontrolle und würden andere Lebensaufgaben deswegen vernachlässigen.

Mit der Studie wurden erstmals auch die körperlichen Auswirkungen exzessiver Mediennutzung untersucht. Das Ergebnis: Ein Drittel der Befragten klagt nach mehrstündiger Nutzung von digitalen Geräten über Nackenschmerzen (32,1 Prozent). 23,4 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben trockene oder juckende Augen, 16,9 Prozent gaben an, durch ihre Mediennutzung Schmerzen im Unterarm oder der Hand zu haben.

Im Vergleich zum Lockdown im Frühjahr 2020 haben sich demnach Nutzungszeiten von Computerspielen wieder reduziert, sie liegen noch immer deutlich über dem Vor-Corona-Niveau. Im September 2019 verbrachten Kinder und Jugendliche an einem Werktag im Schnitt 78 Minuten mit Computerspielen, bei der bislang letzten Befragung im Juni 2022 waren es 113 Minuten. Auch bei Social Media war die Nutzungsdauer bei den Befragten zuletzt rund 35 Prozent höher als im Herbst 2019.

© dpa-infocom, dpa:230314-99-943646/3