KÖLN. Der Schlagersänger Michael Wendler (»Egal«) war ein Liebling der Klatschspalten - jetzt hat er sich mit wirren Äußerungen über Corona ins Abseits katapultiert.
Sein bisheriger Haussender RTL distanzierte sich am Freitag mit scharfen Worten von dem 48-Jährigen und sagte umgehend die geplante Live-Übertragung von Wendlers kirchlicher Hochzeit im Jahr 2021 ab. Und dem Sänger droht weiteres Ungemach. »Michael Wendler hat eigenständig und ohne Rücksprache unseren Vertrag gekündigt und verunglimpft RTL«, erklärte RTL-Geschäftsführer Jörg Graf am Freitag. »Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel prüfen und ausschöpfen.«
Der Sänger hatte zuvor über Instagram mit einem Knall seinen Rückzug aus der Jury der RTL-Show »Deutschland sucht den Superstar« (DSDS) verkündet. Der Grund: Er führte - offensichtlich abgelesen - aus, dass er der Bundesregierung in der Corona-Krise »grobe und schwere Verstöße gegen die Verfassung und das Grundgesetz« vorwerfe. Weiter beschuldigte er die Fernsehsender, darunter RTL, »gleichgeschaltet« zu sein.
RTL ging in die Gegenoffensive. »Wir lassen uns eine erfolgreiche Show, die Millionen Menschen gerne sehen, sicher nicht von einem Verschwörungstheoretiker vermiesen oder generell vorschreiben, wie und was wir senden«, sagte Geschäftsführer Graf über die nächste DSDS-Staffel. Zudem kündigte der Sender an, sich in den kommenden Wochen journalistisch vermehrt dem Phänomen Verschwörungstheorien widmen zu wollen.
Der Sänger, der sich selbst »Der Wendler« nennt, hatte sich in den vergangenen Jahren von einem Nischenphänomen zu einer Größe im Medienzirkus hochgearbeitet, auch wenn er von vielen belächelt wurde. Mit seiner Teilnahme an nahezu allen denkbaren Promi-Shows (Dschungelcamp, »Schlag den Star«, »Promi Big Brother«, »Goodbye Deutschland«) und skurrilen Randgeschichten (»Tausende Wendler-CDs in Altkleidercontainer entdeckt«) war Wendler zuverlässig für Schlagzeilen gut. Ob immer geplant, war dabei die große Frage.
Zum Promi-Phänomen wurde Wendler schließlich, als die fast 30 Jahre jüngere Laura Müller (20) aus Tangermünde an der Elbe in sein Leben trat. Es folgte eine öffentliche Liebelei (»Schatz!«), Videos aus der gemeinsamen Wahlheimat Florida, ein »Playboy«-Shooting (für Laura) und eine standesamtliche Trauung. Sucht man nach dem Punkt für den endgültigen Durchbruch, landet man im Sommer 2019, in dem das Paar in das quotenstarke »Sommerhaus der Stars« von RTL einzog. Von da an gab es kaum ein Halten mehr, die Wendler-Maschine brummte. Als der Job bei DSDS winkte, war der Schlagerbarde oben angekommen, schon bildlich in einer Reihe mit »Pop-Titan« Dieter Bohlen.
Umso gigantischer war der Knall, als er am Donnerstagabend sein Instagram-Video veröffentlichte. Sein Werbepartner Kaufland, der nur Stunden zuvor eine selbstironische Wendler-Kampagne gestartet hatte, zog dieser Werbung sofort den Stecker. Man konnte sozusagen dabei zusehen, wie die Wendler'sche Karriere in Rauch aufgeht. Zwar ließe sich einwenden, dass das konsequent war - bei Wendler war immer fast alles öffentlich. Aber diesmal war es unmöglich, den singenden Speditionskaufmann aus Dinslaken noch irgendwie ironisch zu sehen.
Sein Manager Markus Krampe saß mit Tränen in den Augen in einer Sondersendung mit Oliver Pocher. »Auch für mich ist das ein Schock«, sagte er. Er mache sich Sorgen um Michael, die Einstellungen hätten sich aber über einen längeren Zeitraum angedeutet. Der Sänger sei »immer krasser« in seinen Aussagen geworden in Bezug auf Corona. »Das wurde immer abstruser.«
Als das Video online gegangen sei, habe Wendler ihn angerufen. »Es hörte sich für mich so an, wie so ein Anruf von jemand, der zum letzten Mal jemand anruft und sagt: Pass' auf, ich beende jetzt meine Karriere, ich komme nie wieder nach Deutschland«, sagte Krampe. Darüber hinaus habe ihm Wendler erzählt, dass er die ganze Nacht mit Attila Hildmann telefoniert habe. Der Vegan-Kochbuchautor Hildmann nennt sich selbst »ultrarechts« und einen Verschwörungsprediger.
Mit plötzlichen Abgängen kennt sich Wendler gleichwohl aus. 2014 verließ er schon am vierten Tag freiwillig und überhastet das RTL-Dschungelcamp. Anschließend wollte er wieder zurück. (dpa)
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