Dieses Geräusch ist einzigartig: Wenn sich 16.000 Skilangläufer gleichzeitig in Bewegung setzen, wenn 16.000 Paar Skistöcke in den Schnee einstechen und 16.000 Paar Skier zu gleiten beginnen. Dieses Rauschen nach dem Startschuss beim Wasalauf in Schweden sorgt für eine ganz eigene Energie, und die brauchen die Teilnehmer: Sie haben 90 Kilometer vor sich und maximal zwölf Stunden Zeit. Die Schnellsten erreichen - je nach Wetter - nach 3,5 bis 4,5 Stunden das Ziel. Der Vasaloppet, wie die Schweden sagen, ist das größte Langlaufrennen der Welt. Am Sonntag (3. März) findet es zum 100. Mal statt.
Zu den Topläufern zählt Thomas Bing aus Bad Salzungen in Thüringen, der in der Elitegruppe startet und unter den Top 15 ins Ziel laufen möchte, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. Der 33-Jährige ist Deutschlands bester Skimarathon-Läufer und kennt das Wasa-Gefühl. »Man spürt den Druck der 16.000 Langlaufverrückten hinter sich. Da ist eine brutale Energie da, wenn man im Startgelände ankommt.« Der Stellenwert des Rennens sei »riesig«. Wenn man irgendwo mit einem guten Ergebnis glänzen könne, dann mit dem Wasalauf-Ergebnis. Doch das sei eben extrem schwierig zu erreichen.
Wie wird das Wetter?
Nicht nur die Konkurrenz ist groß, auch das Wetter ist ein wichtiger Faktor. In manchen Jahren herrscht klirrende Kälte mit minus 15 Grad, in anderen Jahren ist der Schnee matschig, es regnet oder es schneit ununterbrochen. Langlauf-Bundestrainer Peter Schlickenrieder, der 2015 den Wasalauf in 04:57:10 Stunden gelaufen ist, sagt: »Es ist ein Unterschied, ob der Schnee gefroren ist und man damit eine schnelle Loipe hat - oder ob es Neuschnee gibt, was einen bremst, und sich die Strecke daher schnell mal doppelt so lang anfühlt.« Es gehe darum, sich auf die Bedingungen einzustellen und die Ski richtig zu wachsen.
Neben dem passenden Material brauchen Läufer Kondition und viel Geduld. Das Startfeld ist nach Veranstalterangaben rund 600 Meter lang. Etwa 50 Loipen sind nebeneinander gezogen. Kurz nach dem Start verschmälert sich die Strecke und führt einen steilen Anstieg hinauf. Es entsteht dichter Stau. Zerbrochene Skistöcke im Schnee zeugen vom Gedränge. Bis die hinteren Läufer dieses Nadelöhr passiert haben, vergeht leicht eine Stunde - und die Uhr läuft unerbittlich.
Was ein Profi den Freizeitläufern rät
Thomas Bing rät den Freizeitläufern: »Ruhe bewahren!« Ob man in der ersten halben Stunde zehn oder 15 Minuten im Stau verliere, spiele am Ende keine Rolle. »Weil alle im Stau stehen.« Einzig die Elite steht nicht im Stau, die läuft vorneweg und hat - je nach Wetter - Top-Loipen. Je mehr Menschen durch die Loipen durch sind, desto weniger bleibt von den Spuren übrig. Die Hobbyläufer am Schluss müssen teils über weite Strecken ohne Loipen laufen.
Doch auch wenn der Fokus auf dem Sieger liegt, macht die Masse an Breitensportlern den Wasalauf aus. »Viele Hobbyläufer brauchen ewig, und es ist eine schöne Zeremonie, dass der Letzte von einem Fackelläufer ins Ziel begleitet und dort von den Zuschauern gefeiert wird«, sagt Schlickenrieder. Man könne die Leistung derer, die doppelt und dreifach so lange unterwegs sind wie die Elite, nicht hoch genug einschätzen. »Das sind richtige Strapazen.« Der Wasalauf bringe einen an die Grenzen - auch mental. Er nennt das Rennen »den Ironman der Langläufer« und ein »Once-in-a-lifetime-Erlebnis«.
»Nie wieder!« - und dann doch
Dieses einmalige Erlebnis hat 2019 auch Carsten Albrecht aus Zingst an der Ostsee mitgemacht. Er sei im Harz aufgewachsen und habe dort das Langlaufen gelernt. Der Wasalauf sei immer ein Ziel für ihn gewesen. Mit 55 Jahren habe er sich gedacht: »Wenn ich das jetzt nicht mache, wird es nichts mehr«, erzählt er. Dann habe er »wie wild« zu trainieren begonnen, mangels Schnee an der Ostsee auf Rollski. Nach 07:58:01 Stunden kam er ins Ziel. Sein erster Gedanke danach: »Nie wieder!« Doch dann ließ ihn das Wasa-Fieber nicht los. 2024 tritt er mit nun mit 60 Jahren zum fünften Mal an.
Auch Sven Kaltofen aus Sayda in Sachsen hatte schon als Jugendlicher den Wasalauf als Ziel vor Augen. Die älteren Vereinskollegen hätten davon geschwärmt. Im Jahr 2000 war er dann erstmals dabei. 2024 will der 46-Jährige zum 25. Mal die legendären 90 Kilometer bewältigen. 30 Wasaläufe will er insgesamt schaffen. Langweilig werde es nicht und wirklich nervös sei er auch nicht mehr. Es sei einfach immer wieder spannend zu sehen, wie er durchkomme. »Der Körper wird älter, das Material wird besser. Das sollte sich ausgleichen«, sagt er amüsiert. Seine schnellste Zeit war 04:59:09 Stunden, er habe aber auch schon knapp über sieben Stunden gebraucht.
Bisher gewann nur ein einziger Deutscher
Für Carsten Albrecht wie auch für Sven Kaltofen macht aber das Drumherum das eigentliche Wasa-Gefühl aus. Die Stimmung, die vielen Teilnehmer. »Man leidet ja alleine. Aber man sieht andere auch leiden, und das tröstet ein wenig«, sagt Albrecht. Die beiden sind einige Tage vor dem Lauf nach Schweden gereist, um noch Loipen-Kilometer zu sammeln. Zwischen 500 und 1000 Kilometer schaffe er in der Vorbereitung, so Kaltofen. Mangels Schnee seien es diesen Winter nur um die 100 Kilometer gewesen.
Zum Drumherum gehören begeisterte Zuschauer, die Schokolade und Obst verteilen. An sieben Verpflegungsstationen tummeln sich Helfer und reichen die berühmte Blaubeersuppe. Dazu gibt es trockene Brötchen, Brühe, Energiedrinks. 3500 Ehrenamtliche sind rund um den Wasalauf im Einsatz. Ausnahmezustand.
Diesem Erlebnis will sich erstmals auch der ehemalige Weltklasse-Langläufer Axel Teichmann stellen, mit zehn Jahren Abstand zu seiner Zeit als Leistungssportler. Seine Fitness werde »hoffentlich dafür reichen, dass ich von A nach B komme«, sagt er. Für ihn stehe das Resultat nicht im Vordergrund.
Als einziger Deutscher hat bisher Gerd-Dietmar Klause aus dem Vogtland den Wasalauf gewonnen. 1975 schaffte er die Strecke in 4:20:22 Stunden. Dass er 49 Jahre später noch immer der einzige deutsche Sieger ist, bezeichnet er als »kleine Sensation«.
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