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Dauerregen in der Region: Wie gut ist er für die Umwelt?

Der Mai im deutschen Südwesten war ungewöhnlich nass und kühl. Das schreibt der Deutsche Wetterdienst. Und das, nachdem in den vorherigen Monaten erst neue Hitzerekorde gebrochen wurden. Langfristig hat der andauernde Regen einige Vorzüge - aber birgt auch gravierende Gefahren.

Von den Hitzerekorden der vergangenen Monate war im Mai nicht mehr viel zu spüren.
Von den Hitzerekorden der vergangenen Monate war im Mai nicht mehr viel zu spüren. Foto: kichigin19 – stock.adobe.com
Von den Hitzerekorden der vergangenen Monate war im Mai nicht mehr viel zu spüren.
Foto: kichigin19 – stock.adobe.com

REUTLINGEN. Es regnet seit Wochen. Von der Hitze, die der Klimawandel mit sich bringen soll, ist nicht viel zu spüren. Normalerweise jagt da ein Superlativ den nächsten: Auf den heißesten März seit Beginn der Wetteraufzeichnung folgte der heißeste April. Beide Hitzerekorde wurden in diesem Jahr aufgestellt. Zudem ist immer wieder von extremer Trockenheit, Dürre oder niedrigem Grundwasserstand die Rede. Da will das Wetter der vergangenen Wochen mit den kalten Regentagen nicht so recht ins Bild passen. Das bestätigt auch der Deutsche Wetterdienst (DWD), der den Mai als »ungewöhnlich nass« beschreibt. Ist der konstante Regen also die dringend benötigte Erfrischung für Mutter Erde?

Ganz so einfach lässt sich das nicht beantworten, weiß Lea Wilbert von der Abteilung Hydrometeorologie des DWD. Die Wissenschaftlerin beschäftigt sich mit dem Kreislauf des Wassers in der Atmosphäre - mit Verdunstung, Wasserdampf und eben auch Regen. »Wie viel Regen gut für die Umwelt ist, hängt ganz von der betrachteten Umwelt ab«, erklärt Wilbert. Verallgemeinerungen seien daher schwierig: »Kein Organismus auf der Erde kommt ohne Wasser aus, also ist Regen in gewisser Weise überlebenswichtig. Aber nicht alle Lebensformen brauchen gleich viel Wasser.«

Anpassung an den »Wasserstress«

Evolutionär seien die Organismen an ihre Klimazonen und den »Wasserstress« angepasst, also an einen grundsätzlichen Mangel oder Überschuss an Wasser. Der Wasserstress bestimmt maßgeblich mit, zu welchem Zonobiom ein Gebiet gehört. Ein Zonobiom ist ein Großlebensraum innerhalb einer oder mehrerer Klimazonen, das sich durch ähnliche Böden, Pflanzen und Tiere definiert. Deutschland liegt im »memoralen Zonobiom« der »gemäßigten Klimazone« und zeichnet sich durch winterkalte Gebiete mit sommergrünen Wäldern aus. Um nun zu bewerten, was guter und was schlechter Regen sei, müsse das komplexe Zusammenspiel von Klimazone, Zonobiom und den örtlichen Besonderheiten betrachtet werden: »Es kommt auf die Bodenart und Bodentyp, die Pflanzen und die Tiere und nicht zuletzt auf die Beschaffenheit des konkreten Geländes an.«

Das ist insbesondere für die Landwirtschaft relevant. »Auch hier ist es abhängig von der genutzten Bodenart, von der Agrarfläche und massiv von den angepflanzten Feldfrüchten«, sagt Wilbert. Weizen und Mais benötigen sehr viel Wasser, während Zucchini und Grünkohl mit deutlich weniger auskommen. Die Böden können ebenfalls je nach Beschaffenheit durch konstanten Regen entweder ausreichend befeuchtet oder übersättigt sein.

Die interaktive Bodenfeuchtkarte des DWD zeigt für den deutschen Südwesten gegenwärtig eine Überversorgung von Wasser an - gemessen an der vorherrschenden Landnutzung. In Brandenburg und Ostsachsen sind die Böden hingegen viel zu trocken. Auffällig ist, dass kaum ein Gebiet in Deutschland eine ausreichende oder gute Wasserversorgung aufweist - sondern größtenteils zu viel oder zu wenig Wasser führt.

Die Dürre hat sich aufgelöst

Die Bodenfeuchte gilt aber nur für die ersten zehn Zentimeter des betreffenden Geländes. Für die tieferen Schichten kann konstanter Regen durchaus gut sein: Wie das Landratsamt Reutlingen mitteilt, werde der Grundwasserspiegel durch die lang anhaltenden Niederschläge nach und nach angehoben. »In den vergangenen Jahren ist der Pegel eher gesunken. Langer Regen hingegen speist das Grundwasser«, erklärt ein Sprecher der Behörde. Zudem hat der Regen gegen die lang anhaltende und extreme Dürre der vergangenen Jahre geholfen: »Die Dürre hat sich aufgelöst, das ist deutschlandweit eigentlich kein Problem mehr«, sagt Andreas Marx, der Leiter des Dürremonitors beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig.

Trotz vieler Vorteile hat der sogenannte Dauerregen auch seine Tücken. Der DWD definiert diesen als ein »länger andauerndes Niederschlagsereignis mit überwiegend gleichmäßigen Regenraten«. Die Schwellenwerte sind gestaffelt und werden als Regenmenge pro Quadratmeter in vier Zeiträumen dargestellt: Von 25 Litern in zwölf Stunden bis 120 Liter in 72 Stunden reichen die Warnereignisse von Dauerregen bis zu extrem ergiebigen Dauerregen.

Im Landkreis Reutlingen werden am letzten Mai-Wochenende einige Schwellenwerte überschritten: Wegen ergiebigem und gebietsweise extrem ergiebigem Dauerregen hat der DWD die Unwettergefahrenstufe drei ausgesprochen. Die Folgen können dramatisch sein. Neben den Gefahren für Leib und Leben drohen massive Überflutungen und hohe Pegelstände. Ganze Gebiete können von Wassermassen eingeschlossen werden. Das Länderübergreifende Hochwasser-Portal hat für das Einzugsgebiet der Neckarzuflüsse Echaz, Eyach, Lauter und Fils eine sehr hohe Hochwassergefährdung ausgesprochen - die höchste überhaupt. (GEA)