FRANKFURT. Um die Ausbreitung von Coronavirus-Varianten aus anderen Ländern zu verlangsamen, braucht es aus Sicht von Wissenschaftlern einen europaweiten Plan.
Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek und andere fordern in der Fachzeitschrift »The Lancet« unter anderem einheitliche Regeln für Einreisende. »Wir müssen versuchen, die Ausbreitung der Varianten in Deutschland zu verzögern«, sagte Ciesek am Dienstag im NDR-Podcast »Coronavirus-Update«. »Das kann nur europaweit funktionieren - weil wir nicht isoliert auf einer Insel leben.«
In Deutschland wurden bisher Mutationen des Coronavirus aus Großbritannien, Südafrika und Brasilien nachgewiesen. Die Variante aus Großbritannien sei sicher ansteckender, sagte die Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt/Main. Ob sie auch tödlicher sei, »kann man im Moment noch nicht abschätzen«. Wegen größerer Nähe, vieler Kontakte und verschiedener Verkehrswege sei es kaum möglich, diese Variante aufzuhalten. Man müsse aber die Ausbreitung verlangsamen, bis alle geimpft seien
Die Varianten aus Brasilien und Südafrika seien in Deutschland bislang kaum verbreitet, sagte Ciesek. Alle Fälle seien »importiert«, es seien keine Folgeansteckungen bekannt. Da diese Mutationen nur über Flughäfen eingeschleppt werden könnten, habe man hier bessere Chancen: »Wenn man konsequent testet, nachverfolgt und in Quarantäne steckt, hat man, glaube ich schon eine Chance, dass man das eine Weile eindämmen kann.«
Die Variante aus Großbritannien habe wohl keinen Einfluss auf die Wirkung von Impfstoffen oder die Zahl der Reinfektionen, sagte Ciesek. Bei den Varianten aus Brasilien oder Südafrika, die einander ähnlicher seien, sehe man hingegen »schon einen Einfluss auf die Neutralisierungsaktivität«. Das könne bedeuten, so Ciesek, dass Antikörper - aus Impfstoffen oder in der Therapie - nicht so gut mit dem Virus fertig würden. Die Datenlage sei aber noch dünn.
Ob sich Patienten nach einer überstandenen Covid-Erkrankung mit einer anderen Variante des Virus neu anstecken können, sei »schwer zu beurteilen«, sagte Ciesek. Da Abstriche nicht aufgehoben würden, sei kaum nachzuweisen, ob es sich um ein Wiederaufflammen des Infekts oder eine echte Neuinfektion handle. Eine Studie aus Großbritannien habe zudem gezeigt, dass Menschen bei einer vermuteten zweiten Infektion nur selten schwer erkrankten.
Die Bundesregierung hat sogenannte monoklonale Antikörper für die Therapie gekauft. Für zwei Produkte gibt es in den USA eine Notfallzulassung. Ihr Einsatz senke die Viruslast, erklärte Ciesek. Hilfreich könne das für Patienten sein, die selbst keine Antikörper bilden können, etwa weil ihr Immunsystem heruntergefahren wurde. Sinnvoll sei ein Einsatz im frühen Stadium der Erkrankung oder sogar vorbeugend, eher nicht für Schwerkranke auf Intensivstationen. (dpa)