Auch die Autos vom Chef fliegen aus der Kurve. »Ich bin nicht so gut, aber ich weiß, wie es geht«, sagt Stefan Krings. Der Mann hat aus Sicht von Kindern und Motorsportfreunden eine Art Traumjob. Er leitet Carrera.
Seit nunmehr 60 Jahren rasen die Miniaturausgaben echter Rennwagen und anderer Autotypen über Kurse mit schleuderträchtigen Kurven, vom Magneten an der Unterseite der Fahrzeuge in der Spur gehalten - oder eben auch nicht. Der Name sei zum Synonym für Autorennbahnen weltweit geworden, sagt der 54 Jahre alte Firmenchef. »Jeder kennt Carrera.« In Deutschland habe das Unternehmen, das im bayerischen Fürth seine Wurzeln hat und nun im österreichischen Puch bei Salzburg sitzt, inzwischen statistisch jeden der 40 Millionen Haushalte mit einer Bahn versorgt.
Popularität hat nicht gelitten
Die Popularität von Autorennen in den Maßstäben 1:24, 1:32 und 1:43 hat offenkundig auch in einer umwelt- und klimabewegten Welt nicht gelitten. Vielmehr hätten sich die Corona-Jahre mit ihrem Besinnen auf Spiele und Hobbys sehr positiv auf die Bilanz ausgewirkt, so Krings. 2022 sei ein Rekordjahr mit einem um zehn Prozent auf 121 Millionen Euro gesteigerten Umsatz gewesen.
Das Unternehmen hat aber auch in seinem Jubiläumsjahr ein großes strukturelles Problem: Sein Produkt braucht Platz. Gerade im Hoffnungsmarkt Asien mit seinen flächenmäßig oft überschaubaren Haushalten stoßen die Freunde des Flitzens an ihre Grenzen.
In China seien inzwischen mehr als 100 Carrera-Spielhallen entstanden, sagt Krings. »Die Leute bringen ihre Autos mit und fahren dort auf den Bahnen gegeneinander.« Die rund 60 verschiedenen Bahn-Sets könne man nicht verkleinern, aber es werde versucht, sie leichter auf- und abbaubar zu machen. Es bleibe: »Der größte Feind der Carrera-Bahn ist der Frühjahrsputz der Mutter nach Weihnachten«, sagt Krings.
Liebe seit der Kindheit
Carrera-Fans blicken oft auf eine lange Liebe zurück. Die Bahnen kennt Gunnar Kaufmann schon seit seiner Kindheit. So richtig gepackt habe ihn das Fieber aber erst als Erwachsener, sagt er. Mit anderen Enthusiasten trifft er sich regelmäßig im Rennbahn-Center-Franken in Herolsberg bei Nürnberg.
Inzwischen habe er 250 kleine Rennwagen, sagt Kaufmann. Manche davon sind von Carrera, viele andere selbst aus Bausätzen konstruiert, mit mehreren Schichten Farbe sorgsam angemalt und auf Hochglanz lackiert. »Das ist das, was das Spielzeug für Kinder zum richtigen Hobby macht«, sagt er. Regelmäßig lässt er seine Wagen über eine 42 Meter lange Bahn im Center flitzen.
Eher gemütlich fährt dagegen ein roter Retro-Rennwagen an diesem Abend durch die Kurven der sechsspurigen Bahn Marke Eigenbau. »Das ist mein zweitältester«, sagt Stephan Billing. 50 Jahre ist das Carrera-Auto alt und fast genauso lange währt - bis auf eine Unterbrechung in der Teenager-Zeit - seine Leidenschaft. »Im Prinzip ist es die Erfüllung eines Traums. Man wäre ja selbst gerne ein Rennfahrer oder der Konstrukteur, der ein schnelles Auto baut.«
Nachwuchsprobleme
Der 56-jährige Billing besitzt selbst mehrere Bahnen, eine große ist dauerhaft in seinem Keller aufgebaut, inklusive Tribünen und Boxengasse. 450 Rennwagen reihen sich in Vitrinen an den Wänden. Stolz zeigt er Fotos von seinen Schätzen auf seinem Smartphone. Seine Kinder habe er jedoch nie für sein Hobby so begeistern können, sagt er. »Es hat halt keinen Bildschirm und Joystick. Hier ist reines Geschick und Physik gefragt.« Sonst haue es einen schnell aus der Kurve. Das spreche aber viele junge Leute nicht an.
Um schon die Kleinsten für die Bahn zu begeistern, ist die Analyse ihres Medienkonsums eines von vielen wichtigen Instrumenten. Für die Popularität von Carrera hätten inzwischen die TV-Serien und Videogames für die Drei- bis Sechsjährigen größte Bedeutung, sagt Krings. In Anlehnung an die Serien sitzen dann die den Kids vertrauten Figuren aus »Paw Patrol«, »Peppa Pig« und »Mario Kart« hinterm Steuer.
Das Unternehmen kennt mit einem Konkurs und einem Inhaberwechsel auch unruhige Zeiten. »Aber auch in der Krise blieb die Sichtbarkeit im Handel erhalten, der Ruf unbeschädigt«, meint Krings. Inzwischen ist Carrera breit aufgestellt und nach Unternehmensangaben europaweiter Marktführer bei ferngesteuertem Spielzeug. Viele Hubschrauber, Boote, Autos und Drohnen stammen von dem Hersteller.
Nicht der einzige »Evergreen«
Carrera ist längst nicht der einzige »Evergreen« unter den Spielzeugen. Die Brio-Holzeisenbahn, das Bobby-Car, Marken wie Steiff oder Märklin, Gesellschaftsspiele wie »Siedler von Catan« oder »Das verrückte Labyrinth«, Legosteine, Kugelbahnen und nicht zuletzt die jüngst wieder kultige »Barbie« zeigten, wie unverwüstlich Spielzeug sein könne, heißt es beim Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI).
»Alle die genannten Spielzeuge übersetzen den pädagogischen Anspruch, den Spielzeug mitbringen sollte, in eine besondere formal-ästhetisch Form. Die Idee ist schlicht, aber brillant in Form gebracht. Das macht sie zu ikonischen Spielzeugen«, sagt DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil.
Auf alten Lorbeeren will sich Carrera nicht ausruhen, sondern hat die Weichen zur Erweiterung seines Sortiments gestellt. Die Zusammenarbeit mit dem deutschen Start-up »Sturmkind« aus dem rheinland-pfälzischen Speyer samt einer Minderheitsbeteiligung soll Carrera absichern. Die Autos aus Speyer im Maßstab 1:50 können laut Hersteller auf jeder glatten Fläche sehr realitätsnah wie Rennautos gesteuert werden - fahrerische Freiheit statt Rasen in der Spur.
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