Boris Becker kam durch den Notausgang. Beim Betreten des Saals Emporio I in einem Berliner Nobelhotel konnte Deutschlands Tennis-Ikone das grüne Hinweisschild mit dem Fluchtsymbol über ihm aber ignorieren. Bei der Farbe des Teppichs hatte der Veranstalter des PR-Termins allerdings geschummelt. Schlammgrau mit schwarzem Gittermuster statt wie angekündigt ein »Redcarpet« war das Geläuf für den Fototermin mit dem routiniert in die vielen Kameras lächelnden Stargast.
Becker hätte auch über dieses Szenario ein Späßchen machen können. Gittermuster braucht er in seinem Leben nicht mehr. Ironie, das sollte sich alsbald zeigen, war ohnehin angesagt, bei der Präsentation von Beckers erstem Werbedeal für einen Online-Fensterversand nach der Rückkehr aus England kurz vor Weihnachten. Mitte Dezember war Becker nach 231 Tagen hinter Gittern freigekommen.
Becker verhandelt mit dem Insolvenzverwalter
Becker war Ende April 2022 in London zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er seinen Insolvenzverwaltern Vermögenswerte in Millionenhöhe verschwiegen hatte. Grund für die vorzeitige Entlassung war eine Sonderregelung für ausländische Häftlinge. Einen Teil seiner Einnahmen muss Becker aber weiter an die Insolvenzverwalter abtreten. Und das soll sich bald ändern, hofft der dreimalige Wimbledonsieger.
»Es ist ein Neubeginn. Ich bin in guten Verhandlungen mit meinem Insolvenzverwalter. Ich hoffe, schnell eine gute und faire Lösung zu finden«, sagte Becker bei der Vorstellung der Werbespots mit ihm als Hauptdarsteller. »Dafür muss ich Geld verdienen, ansonsten möchte ich darüber nicht mehr viel sagen«, merkte Becker zu seiner Lage an.
»Es geht ums Geld«, sagte Moderator Gerhard Delling gleich zum Start der Präsentation. Für Becker geht es aber auch um Verantwortung. Der »nächsten Generation« möchte er warnendes Beispiel sein, versicherte er und erzählte vom »Alten«, der seine »Hand auf die heiße Herdplatte« gelegt habe.
Rückkehr ins Tennis-Business wäre möglich
An Beschäftigung mangele es nicht. »Ich habe viel zu tun. Meine ganzen anderen Partner wollen mich sehen. Ich bin beschäftigt, und das ist die beste Nachricht, dass ich weiter arbeiten darf«, sagte Becker. Auch eine Rückkehr ins Tennis-Business ist möglich. »Ich muss mich noch ein bisschen sortieren. Ich habe in der Tat auch Angebote. Ich muss mich erst mal zurechtfinden, bevor ich eine Verantwortung und Arbeit übernehme«, sagte Becker.
Die Lebenskrise mit der Haft habe ihn natürlich verändert. »Auch ich bin in die Jahre gekommen und habe einen hohen Preis bezahlt«, sagt er. »Weiser, intelligenter«, sei er. »Ein neues Umfeld hab' ich mir geschaffen. Ich bin überzeugt, dass ich von meinen Fehlern gelernt habe.«
In Bildern sprechen, und das mit Humor, das macht Becker im Spot für das Unternehmen eines schwäbischen Freundes. Er wirft Geldscheine mit vollen Händen aus dem Fenster. »Sich selbst auf die Schippe zu nehmen, ist wichtig. Ja, ich habe Geld aus dem Fenster geworfen«, gesteht er. Im Spot trägt er seine alten weißen Tennisschuhe mit rotem Streifen. Etwas ausgelatscht sind die Treter.
Becker und Werbung, das war schon immer lustig
Die Szene mit dem Geld sei natürlich ein Verweis auf sein Leben. »Es ist eine große Verantwortung in meinem neuen Leben, in neuer Freiheit«, sagte Becker. »Ich hoffe, Sie verstehen den Witz und die Selbstironie«, fügte er an. Becker und Werbung, das war schon immer ein bisschen lustig, ob nun für Autos, Schokocreme oder einen Internetanbieter in den Startjahren des World Wide Web.
Ein bisschen Sorge, dass er in der Heimat mal wieder Kritik und Häme einstecken muss, schwang mit. Er wisse natürlich, dass die Zeiten schwer seien für viele Menschen. In Deutschland ist für Becker immer alles ein bisschen schwerer zu erklären. Ambivalent bleibt sein Verhältnis. Mal fair, mal unfair habe man ihn hier behandelt. Ob Deutschland sein Mittelpunkt im »neuen Leben« werden soll, das wisse er noch nicht. »Erst mal bin ich froh, wieder in Freiheit leben zu dürfen, seitdem ich in längerem Urlaub war«, fügte er an.
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