Boris Becker darf auf ein Weihnachtsfest in Freiheit hoffen. Seit gut sieben Monaten ist der ehemalige Tennis-Star in britischer Haft - und eigentlich hat er noch mindestens ein halbes Jahr vor sich, bevor er auf Bewährung raus darf. Doch nun könnte es schnell gehen. Schon kommende Woche solle der Deutsche in seine Heimat abgeschoben werden, schrieb die Zeitung »Mirror« am Dienstag. Quellen nannte das Boulevardblatt nicht. Aber der Text deckt sich mit einem Bericht der »Sun« von Mitte November. Noch vor Weihnachten solle Becker freikommen, hatte die Zeitung unter Berufung auf eine Justizquelle damals geschrieben.
Um einen Promi-Bonus für den dreifachen Wimbledon-Sieger, der in Großbritannien auch als BBC-Kommentator sehr beliebt ist, handelt es sich allerdings nicht. Vielmehr würde der 55-Jährige von einer Sonderregel profitieren. Demnach kommt jeder ausländische Häftling für ein Schnellverfahren in Frage, »der bis zu zwölf Monate vor dem frühesten Entlassungszeitpunkt aus dem Gefängnis entlassen und abgeschoben werden kann«. Im Jahr 2020/21 wurden mehr als 1100 Häftlinge unter diesem Programm abgeschoben. Das soll den Druck auf die überfüllten britischen Gefängnisse lindern. Der aus Leimen in Baden-Württemberg stammende Becker lebt zwar schon lange in Großbritannien, besitzt aber nicht die britische Staatsbürgerschaft.
Hier sitzt Becker ein
Inhaftiert ist Becker im Huntercombe-Gefängnis westlich der britischen Hauptstadt. In der Anstalt für straffällig gewordene Männer aus dem Ausland haben die Insassen größere Freiheiten als unter den Hochsicherheitsbedingungen in der Haftanstalt Wandsworth, wohin Becker zunächst gebracht worden war.
Beckers deutscher Anwalt Christian-Oliver Moser wollte die Berichte nicht kommentieren. In der Vergangenheit hatte er aber mitgeteilt, der einstige Ausnahmesportler könne jederzeit telefonieren und mit seiner Außenwelt kommunizieren. »Unserem Mandanten, Boris Becker, geht es weiterhin den Umständen entsprechend gut und er fügt sich konstruktiv in den Gefängnisalltag ein«, hieß es Ende Oktober.
Unklar bleibt, wie Beckers Leben nach der Haft aussieht. Seit rund zehn Jahren lebt er in London, dem Ort seiner größten Erfolge - und seiner größten Niederlage. Doch zurückkehren kann er wahrscheinlich erst einmal nicht. Ihm werde nach der Abschiebung die Einreise nach Großbritannien verwehrt bleiben, bis seine Haftstrafe abgelaufen ist, heißt es in London. Das ist Ende Oktober 2024 der Fall.
Vermögenswerte in Millionenhöhe verschwiegen
Becker war am 29. April zu zweieinhalb Jahren verurteilt worden, weil er seinen Insolvenzverwaltern Vermögenswerte in Millionenhöhe verschwiegen hatte. Nachdem er 2017 gerichtlich für zahlungsunfähig erklärt worden war, musste er den Insolvenzverwaltern sein Vermögen offenlegen. Doch dabei ließ er nach Ansicht des Gerichts wichtige Teile aus.
Nach britischem Recht dürfen Häftlinge eigentlich erst freikommen, wenn sie mindestens die Hälfte ihrer Strafe verbüßt haben. Wegen der Sonderregel für Ausländer könnte es bei Becker aber nun bei rund einem Viertel der Haftdauer bleiben.
Auch die Frage nach einer Arbeit könnte sich schneller klären als gedacht. Zwar hat die BBC bisher offen gelassen, ob sie Becker wieder beschäftigen wird. Beim Deutschen Tennis-Bund (DTB) aber stünden ihm die Türen offen. »Wenn er seine Strafe abgesessen hat, spricht nichts dagegen, dass er wieder eine Funktion übernimmt«, hatte DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff der »Sport Bild« im November gesagt. Sein Versprechen: »Ich kann mir vieles für Boris vorstellen: Head of Men's Tennis, Repräsentant, Präsidium oder was auch immer. Salopp gesagt: Boris kann sich den Job aussuchen!«
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