Gegen einen BBC-Moderator, der einem Teenager Geld für sexuell eindeutige Fotos gezahlt haben soll, soll eine weitere Person Vorwürfe erhoben haben. Ein Anfang 20-jähriger Mensch habe dem britischen öffentlich-rechtlichen Sender gesagt, der Moderator habe beleidigende und bedrohliche Nachrichten geschickt, hieß es in einem Bericht der BBC. Die oder der Betroffene fühlte sich demnach aufgrund der Nachrichten bedroht.
Die Kontaktaufnahme fand dem Bericht zufolge anonym über eine Dating-App statt, anschließend schrieben sich die beiden über andere Plattformen, wobei der Moderator seine Identität preisgab. Der Mann habe auf ein Treffen gedrängt, das aber nie stattgefunden habe. Zu den Drohungen sei es gekommen, nachdem die Empfängerin oder der Empfänger angedeutet habe, den Moderator öffentlich zu nennen. Die BBC hat die Nachrichten ihres Mitarbeiters nach eigenen Angaben verifiziert. Um welchen Moderator es sich handelt, ist öffentlich nicht bekannt.
Sunak fordert schnelle Aufklärung
Der britische Premierminister Rishi Sunak mahnte die BBC zur raschen Aufklärung der Vorwürfe an. »Das sind schockierende und besorgniserregende Anschuldigungen«, sagte der Regierungschef auf der Reise zum Nato-Gipfel in Vilnius. Es sei richtig, dass die BBC die Vorwürfe rasch und rigoros prüfe. Der öffentlich-rechtliche Sender teilte mit, die Polizei habe darum gebeten, interne Ermittlungen zu »pausieren«, während die Behörde weitere Schritte prüfe.
Die Eltern eines jungen Menschen werfen einem BBC-Moderator vor, über mehrere Jahre hinweg ihrem Kind insgesamt 35.000 Pfund (knapp 41.000 Euro) für intime Fotos und Videos gezahlt zu haben. Demnach war das mutmaßliche Opfer zu Beginn der vorgeworfenen Taten erst 17 Jahre alt. Der Sender hatte Berichten zufolge bereits Mitte Mai von den Vorwürfen erfahren. Als aber die BBC keine Schritte einleitete, wandten sich die Eltern an die Zeitung »Sun«, die die Vorwürfe am Freitag öffentlich machte. Der Moderator wurde am Sonntag suspendiert.
Am Montagabend ließ das mutmaßliche Opfer die Anschuldigungen der eigenen Eltern über einen Anwalt zurückweisen. Die Familie beharrt aber auf ihrer Schilderung.
Die BBC teilte nun mit, dass die Abläufe für Beschwerden ständig überprüft würden. »Aus diesem Fall werden natürlich Lehren gezogen werden«, hieß es weiter.
Neuer Skandal kommt für die BBC zur Unzeit
Dass 2023 ein ausgesprochen schlechtes Jahr für die BBC ist, dürfte deutlich untertrieben sein. Einer der bekanntesten Sender der Welt taumelt seit Monaten von Krise zu Krise - der neue, mögliche Skandal erschüttert die mehr als 100 Jahre alte britische Institution in ihren Grundfesten.
Wegen der Vorwürfe, die BBC habe eine Aufklärung der Vorwürfe verschleppt, rückte einmal mehr Intendant Tim Davie in den Mittelpunkt. Noch nicht einmal drei Jahre ist der 56-Jährige im Amt, doch seitdem fast immer im Verteidigungsmodus.
Ohnehin gilt der Posten als der schwierigste der polarisierten britischen Medienlandschaft. Die BBC hat sich einem radikalen Neutralitätskurs verschrieben und wird damit beinahe täglich Ziel von Vorwürfen einer Parteinahme. »Die BBC zu leiten, gleicht dem Versuch, einen Öltanker mit verbundenen Augen und blockierter Steuerung durch eine enge Meerenge zu lenken«, schrieb die Zeitung »Guardian«.
Der Fall Lineker
Doch Davie macht sich das Leben nach Ansicht von Kommentatoren teils selbst schwer. Beispiel Gary Lineker. Der Ex-Fußballstar ist nicht nur einer der beliebtesten BBC-Moderatoren und der am besten bezahlte. Er ist auch für klare Worte bekannt. Als Lineker im März die migrationsfeindliche Rhetorik der konservativen Regierung in der Asylpolitik mit der Sprache im Deutschland der 1930er Jahre verglich, wurde er suspendiert. Lineker habe die Neutralitätsregeln gebrochen, hieß es. Doch andere Moderatoren solidarisierten sich mit Lineker und streikten - und Davie musste eine peinliche Kehrtwende hinlegen. Lineker durfte ohne Strafe wieder auf Sendung gehen.
Nun wird Davie Doppelmoral vorgeworfen. Denn der beschuldigte Moderator im aktuellen Fall blieb nach den ersten Vorwürfen im Mai noch sieben Wochen im Dienst, bis er dann am Sonntag doch suspendiert wurde. Zwar mahnten Regierungspolitiker wie die zuständige Kulturministerin Lucy Frazer zu Sorgfalt bei der Aufklärung. Doch machten sie klar, dass die Reaktion viel zu langsam gewesen sei.
Die neue Aufregung um den »Beeb« - ein weiterer Spitzname des Senders - ist vor allem Munition für diejenigen, die das Finanzierungsmodell der British Broadcasting Corporation immer lauter in Frage stellen.
Plänen der Regierung des konservativen Ex-Premiers Boris Johnson zufolge soll die Beitragsfinanzierung 2027 komplett abgeschafft werden. Vor allem Rechtspopulisten wollen die BBC zu einem gewöhnlichen Sender herabstufen, den man wie Netflix bei Bedarf abonnieren und kündigen kann. In ihren Augen ist die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt durchsetzt mit linkslastigen Journalisten, die eine urbane Elite repräsentieren.
Spardruck nimmt beständig zu
Für viele war die BBC seit ihrer Gründung vor gut 100 Jahren ein Leuchtturm der Demokratie, eine unabhängige Quelle der Einordnung, die auch als Blaupause für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland diente. Britische »Soft power«, die das Ansehen des Vereinigten Königreichs stärkte. Doch noch immer hat der Sender keine Antwort auf die veränderte Mediennutzung gefunden. Der Spardruck nimmt auch wegen sinkender Beiträge stetig zu. Programme in Fremdsprachen wurden ebenso Opfer wie beliebte Sendungen und einzelne Wellen. Wegen Kürzungen beim Lokalradio kam es jüngst zu Streiks.
An diesem Dienstag legt die BBC ihren Jahresbericht vor. Angesichts des jüngsten Aufregers dürften hohe Gehälter für Moderatoren zu einem noch größeren Aufschrei führen als ohnehin. Der Zeitpunkt könnte für Intendant Davie kaum schlechter sein. Zumal er die BBC weitestgehend alleine durch ihre größte Krise seit Jahrzehnten steuern muss. Der in der Politik gut vernetzte Aufsichtsratschef Richard Sharp musste im Frühling zurücktreten. Er hatte dem damaligen Premier Boris Johnson geholfen, einen Privatkredit über 800.000 Pfund an Land zu ziehen - kurz vor seiner Ernennung durch den Regierungschef selbst.
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