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Autorin Huntemann: »Liebe über 60 braucht Mut«

Die Autorin Hanne Huntemann über den zweiten Frühling im Alter und die Chancen, mit über 60 noch einmal eine erfüllende Partnerschaft zu finden

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Autorin Hanne Huntemann hat ein Buch geschrieben über die Liebe von Menschen im Alter von über 60 Jahren. Foto: Adobe Stock
Autorin Hanne Huntemann hat ein Buch geschrieben über die Liebe von Menschen im Alter von über 60 Jahren.
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BREMEN/REUTLINGEN. »Alter schützt vor der Liebe nicht, aber Liebe vor dem Altern« soll die französische Modeschöpferin Coco Chanel gesagt haben. Doch wo finden Männer und Frauen über 60 eine neue Beziehung? Und haben Ältere vielleicht andere Erwartungen an die Liebe als Jüngere? Wir haben mit der Journalistin Hanne Huntemann gesprochen. Die 76-Jährige hat ein Buch über die Partnersuche von Menschen über 60 geschrieben.

GEA: Frau Huntemann, Sie haben vor zehn Jahren zusammen mit Angela Joschko das Buch »Liebe auf den späten Blick: Partnersuche 60 Plus« geschrieben. Gab es dafür einen konkreten Auslöser? 

Hanne Huntemann: Ja, und zwar durch meine 80-jährige Freundin Anne. Eines Tages gestand sie mir aus heiterem Himmel: »Ich will noch mal einen Mann! Ich will noch einmal Geborgenheit und Sexualität erleben! Das ist jetzt meine letzte Chance.« Schnurstracks hat sie sich online auf die Suche gemacht und wurde im Laufe eines halben Jahres tatsächlich fündig. Sie lernte den damals 85-jährigen Max kennen und hat sich unsterblich verliebt. Bei unseren Recherchen haben meine Kollegin Angela Joschko und ich dann festgestellt, dass Anne und Max absolut keine Ausnahme sind. 

Wie unterscheidet sich die Partner-suche im Alter von der Partnersuche in jungen Jahren? 

Huntemann: Der Unterschied liegt wohl darin, dass die Ü60er viel zielstrebiger und ernsthafter rangehen. Denn sie haben schließlich keine Zeit mehr zu verlieren. Hinzu kommt, dass die Chancen, im Alter noch einmal eine erfüllende Liebe zu finden, ziemlich groß sind. Man wird gelassener, muss nicht mehr so viele Kompromisse schließen zwischen Beruf, Familie und Gesellschaft. Das schafft eine neue Freiheit und die Chance, sich auf Augenhöhe zu begegnen, ohne sich etwas beweisen zu müssen. Wenn man dann auf einen Menschen trifft, zu dem man wirklich eine tiefe Verbundenheit spürt, dann wird das als großes Geschenk empfunden. Und damit steigt auch die Intensität und die Erlebnisqualität, weil die Bereitschaft, sich ohne Angst fallen zu lassen, wächst.

Es wird häufig behauptet, dass es für ältere Menschen schwieriger sei, neue Kontakte zu knüpfen. Gerade auch, wenn es um die Liebe geht. Stimmt das? 

Huntemann: Wir haben das bei unseren Recherchen so nicht erlebt. Ich selbst und auch Angela Joschko sind zum Beispiel mit über 60 noch mal in eine völlig fremde Stadt gezogen. Vom Süden in den Norden. Und wir haben dabei relativ schnell neue Menschen kennengelernt. Man muss natürlich offen sein, mutig genug sein, sich auch im Alter auf völlig neue Erfahrungen einzulassen und dafür auch Online auf die Suche gehen. 

An welchen Orten können ältere Menschen am ehesten neue Beziehungen anbahnen? 

Huntemann: Wir beiden Autorinnen haben mehrere Jahre lang in unterschiedlichen Städten Speeddatings für Menschen 60 plus mit ziemlichem Erfolg angeboten. Und wenn man eine neue Liebe sucht, geht man eben ins Netz. So wie es die Jungen auch machen. Warum auch nicht? Real begegnen kann man sich auch in den verschiedenen kreativen, sozialen und politischen Gruppen bis hin zu »Omas gegen Rechts«. Denn wo man sich trifft, werden auch Beziehungen möglich.

Was ist mit älteren Menschen, die Hemmungen haben, auf andere zuzugehen. Gibt es hier Angebote? 

Huntemann: Ja, die gibt es tatsächlich in einigen Städten. Wir waren für unser Buch bei einem Flirtseminar für Senioren. Das fand ich total beeindruckend. Eine wirklich wichtige Erfahrung für die Teilnehmer, denn die meisten hatten verlernt, Menschen anzusprechen und wussten gar nicht mehr, wie das mit dem Flirten überhaupt geht. Oder dem Gegenüber auch mal ein Kompliment zu machen. Was sie mitgenommen haben, war so etwas wie ein Aha-Erlebnis und die Erkenntnis: Wenn ich anderen Menschen mit einem Lächeln begegne, lächeln die zurück. Das ist doch wunderbar und öffnet allen Beteiligten das Herz. Und es ist womöglich der erste Schritt, um sich auch für das Glück zu öffnen.

Haben Menschen über 60 nach Ihrer Erfahrung andere Erwartungen an die Liebe? 

Huntemann: Jenseits der 60 steigt das Bewusstsein, dass das Leben begrenzt ist. Als junger Mensch hat man das Gefühl, die Welt gehört mir und nach einer Trennung kommt bestimmt noch jemand nach. Aber mit wachsendem Alter ist diese Chance nicht mehr so groß. Wenn man dann einem Menschen begegnet, zu dem man wirklich eine tiefe Verbundenheit spürt, dann wird das viel mehr geschätzt als in jungen Jahren und als großes Geschenk empfunden. Und viele Ansprüche, die früher einmal von Bedeutung waren, wie etwa Schönheit, Beruf, Einkommen, haben nicht mehr diese enorme Wichtigkeit. Man ist gelassener, kann großzügiger über vermeintliche Fehler des anderen hinwegsehen und muss nicht gleich losmeckern. Was zählt, ist Verlässlichkeit, Achtsamkeit und Liebe zu spüren. Und die Gewissheit, von meinem Gegenüber wirklich gemeint zu sein. 

Wie schwierig ist es, sich ab einem bestimmten Alter auf eine neue Liebe einzulassen? 

Huntemann: Die Angst vor Enttäuschungen ist bei älteren Menschen tatsächlich etwas ausgeprägter als bei jüngeren. Wer sich auf die Liebe einlässt, braucht Mut. Egal in welchem Alter. Denn Liebe ist nichts für Feiglinge. Aber was kann schon passieren? Im schönsten Fall, dass man noch einmal erfährt, was es heißt, sein Herz zu verlieren.

Welchen Rat haben Sie für ältere Menschen, die sich noch einmal neu verlieben wollen? 

Huntemann: Bei der Recherche zu unserem Buch ist mir aufgefallen, dass vor allem Menschen erfolgreich waren, die die innere Gewissheit hatten: Ja, ich will noch einmal versuchen, mich mit Haut und Haaren auf einen anderen Menschen einzulassen. Aber nicht zwanghaft und verkrampft, sondern mit einer gewissen Leichtigkeit und der Gewissheit: Ja, es wird mir gelingen. Und dann ist es auch egal, wo und wie man sich auf die Suche begibt. (GEA) 

SO GEHT’S WEITER

Die Serie Frühlingsgefühle geht am Samstag in die nächste und gleichzeitig letzte Runde. Dann gibt es Tipps für die Zeit, wenn die ersten Schmetterlinge im Bauch schon etwas hinter einem liegen und die Partnerschaft mit dem Alltag konfrontiert wird. Denn Karriere, Krankheit und Kinder können die Beziehung auf die Probe stellen. (GEA)

ZUR PERSON

Hanne Huntemann (76) lebt mit ihrem Partner in Bremen. Die Journalistin war unter anderem ZDF-Redakteurin für die Reihe 37 Grad. Zusammen mit Angela Joschko hat sie die Bücher »Liebe auf den späten Blick – Partnersuche 60plus« und »Die ungekannte Freiheit meines Lebens – Frauen zwischen Jugend und Alter« veröffentlicht. (kali)