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Argentinien: Messis Heimatstadt Rosario versinkt in Gewalt

Die Stadt am Fluss Paraná steht für den Reichtum des Landes: Von hier werden Soja, Mais und Rinderhälften in die ganze Welt verschickt. In den Außenbezirken aber regieren die Gangs.

Drogenkriminalität in Argentinien
Nach der jüngsten Welle der Gewalt in Rosario hat die argentinische Regierung eine Sicherheitsoffensive eingeleitet. Am Mittwoch trafen 300 zusätzliche Bundespolizisten ein. Foto: Rodrigo Abd
Nach der jüngsten Welle der Gewalt in Rosario hat die argentinische Regierung eine Sicherheitsoffensive eingeleitet. Am Mittwoch trafen 300 zusätzliche Bundespolizisten ein.
Foto: Rodrigo Abd

Máximo Gerez wollte am Kiosk an der Ecke gerade eine Cola kaufen, als die tödlichen Schüsse den elfjährigen Jungen trafen. Die Angreifer waren in einem schwarzen Auto mit abgedunkelten Scheiben gekommen und eröffneten das Feuer auf ihn und seine Freunde. Máximo war sofort tot, drei andere Kinder wurden schwer verletzt.

Eine Welle der Gewalt rollt über Rosario, die Heimatstadt des argentinischen Fußball-Superstars Lionel Messi, hinweg. Mehrere Banden ringen um die Kontrolle des Drogenhandels, fast täglich kommt es zu Schießereien. Warum Máximo sterben musste, ist noch unklar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob er im Kampf um Einflusszonen zwischen die Fronten geriet oder Opfer einer Racheaktion wurde.

Die Familie des Jungen will die Ermittlungen nicht abwarten, sie meint die Verantwortlichen zu kennen. Nachdem sie Máximo zu Grabe getragen haben, greifen sie in dem ärmlichen Viertel Los Pumitas im Norden von Rosario die Häuser der Drogendealer an. Mit Hämmern und Stahlstangen reißen sie die aus Backsteinen gemauerten Drogenbunker ein und legen Feuer. »Hier verkaufen sie Drogen und vergiften unsere Kinder«, sagte Máximos Vater Julio Gerez im Fernsehen.

Rosario ist gefährlichste Stadt in Argentinien

Der Mann aus der indigenen Gemeinschaft der Qom lebt seit 20 Jahren in Rosario und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Er glaubt, dass die Drogenbande Los Salteños hinter dem Mord an seinem Sohn steckt. »Wir sind niemals bedroht worden und haben uns mit niemandem angelegt«, sagte Máximos Tante Antonia der Zeitung »La Nación«. »Wir sind arme Leute, aber was uns wirklich zerstört, ist der Schmerz.«

Rosario am Fluss Paraná rund 300 Kilometer nordwestlich von Buenos Aires ist ein wichtiges Industrie- und Handelszentrum. Von hier aus werden Soja, Mais und Rinderhälften in die ganze Welt verschifft. Allerdings herrscht vor allem in den Außenbezirken oft bittere Armut, hier finden die Drogenbanden leicht Rekruten und Kunden.

Die Kämpfe zwischen den Gangs um den lukrativen Kokainmarkt machen Rosario zur gefährlichsten Stadt Argentiniens. In diesem Jahr wurden in Rosario bereits 64 Menschen getötet. Immer wieder greifen Mitglieder der Drogengangs auch öffentliche Gebäude, Gefängnisse und Polizeiwachen an. »Die Drogenhändler haben gewonnen, aber wir sind entschlossen diese Situation zu ändern«, räumt Sicherheitsminister Aníbal Fernández zuletzt ein.

Messis Familie wurde angegriffen

Erst kürzlich wurde sogar die Familie von Starstürmer Messi zum Ziel eines Angriffs. Unbekannte feuerten 14 Schüsse auf den Supermarkt von Messis Schwiegervater in Rosario ab. Außerdem hinterließen sie einen Zettel, auf dem zu lesen war: »Messi, wir warten auf dich.« Medienberichten zufolge arbeiten die Behörden nun an einer Sicherheitsstrategie für Ende März, wenn Messi für zwei Freundschaftsspiele gegen Panama und Curaçao nach Argentinien kommt.

»Wir haben hier Polizisten, Gendarmen und Bundespolizisten - was wir aber nie sehen, ist Strafverfolgung«, klagte Pablo Javkin. »Ich bin der Bürgermeister dieser Stadt. Um es klar zu sagen: Ich leite nicht die Sicherheitskräfte. Und als ich darum gebeten habe, hat man mich nicht gelassen. Wer also Verantwortung trägt, soll herkommen.«

Zudem haben die Drogenhändler die örtliche Polizei wohl teilweise unterwandert. »Es gibt Leute, die die Uniform beschmutzt haben, ehemalige Polizeichefs sitzen im Gefängnis«, sagte der Gouverneur der Provinz Santa Fe, Omar Perotti. »Wir versuchen, die Institution zu säubern und all jene zu unterstützen, die sich wirklich zum Dienst berufen fühlen.«

Die Regierung in Buenos Aires kündigte an, zusätzliche Polizisten nach Rosario zu schicken. Die Zahl der Bundespolizisten werde auf 1400 erhöht, sagte Präsident Alberto Fernández. Zudem soll das Ingenieurkorps des Heeres bei Arbeiten zur Aufwertung der Armenviertel helfen. »Wir werden die Ordnung in Rosario wiederherstellen und so ein soziales Leben in Freiheit und Sicherheit garantieren. Aber vor allem werden wir für Gerechtigkeit sorgen. Das sind wir den Opfern der Mafia und den Kindern der Stadt schuldig«, sagte der Präsident.

© dpa-infocom, dpa:230309-99-884577/2