Claude ist nur eine der vielen Attraktionen des Steinhart Aquariums in San Francisco in dem Naturkundemuseum California Academy of Sciences. Meist liegt das schneeweiße Albino-Krokodil regungslos auf einem beheizten Felsen oder tummelt sich mit Schildkröten im Wasserbecken der Sumpf-Anlage.
Besucher aus aller Welt schauen dem Treiben des 28 Jahre alten Reptils begeistert zu. Ein schmiedeeisernes Seepferdchen-Geländer trennt sie dabei von Claude und seinen Mitbewohnern.
Die verschnörkelte Brüstung ist eines der Originalstücke des Aquariums, das heute vor hundert Jahren in der Westküstenmetropole eröffnet wurde. Ohne den beharrlichen Eifer von zwei Brüdern aus dem bayerischen Sulzbach würde es das Steinhart Aquarium nicht geben.
Mit fast 60.000 Vertretern von Flora und Fauna, dem größten Innenraum-Korallenriff der Welt, einem tropischen Regenwald, Sumpflandschaften und einem ringförmigen Tunnelaquarium zählt es heute zu den wissenschaftlichen Vorzeigeeinrichtungen.
Ein Herzensprojekt der Brüder aus Bayern
»Sie wollten für San Francisco ein Weltklasse-Aquarium im europäischen Stil schaffen«, sagt Bart Shepherd, Leiter des Steinhart Aquariums, über die Brüder Sigmund (1833 - 1910) und Ignatz (1841 - 1917) Steinhart. Die waren im Zuge des Goldrausches in den 1850er Jahren aus ihrer bayerischen Heimat nach Kalifornien ausgewandert, um dort ihr Glück zu versuchen. Als Geschäftsleute, Börsenmakler und Banker wurden die kinderlosen Brüder reich.
Die Begeisterung der Bayern für die Wasserwelt gibt Rätsel auf. »Warum wählten sie ein Aquarium und nicht etwa ein Kunstmuseum«, meint Shepherd. Doch bekannt waren die Steinhart-Brüder für ihr zähes Ringen und ihre Beharrlichkeit, ihr Herzensprojekt im Golden Gate Park über politische und bürokratische Hürden hinweg durchzuboxen.
Den Spatenstich erlebten beide nicht mehr mit. Doch in seinem Testament verfügte der 1917 verstorbene Ignatz eine Summe von 250.000 Dollar, heute über fünf Millionen Dollar wert, für den Bau des Aquariums. Inklusive einer Handvoll Auflagen - darunter »Steinhart« als Namensgeber.
Neubau nach dem Erdbeben von 1989
Der Nachname der deutschen Stifter stand in großen Buchstaben auf der Fassade, als der klassizistische Prachtbau auf dem Gelände der California Academy of Sciences am 29. September 1923 mit 5000 Besuchern eingeweiht wurde. Dieses Gebäude gibt es heute jedoch nicht mehr.
Das schwere Erdbeben von 1989 in San Francisco brachte eine Wende. Statt Reparatur und Sanierung der alten Hallen wurde Star-Architekt Renzo Piano mit dem Neubau beauftragt.
Am selben Ort errichtete der Italiener einen lichtdurchfluteten Glaspalast. 2008 wurde das Naturkundemuseum mit Aquarium, Planetarium und Forschungsstätten unter einem begrünten »lebendigen Dach« eingeweiht. Der Bau erhielt Zertifikate für die umweltfreundliche Bauweise und für den ökologischen Betrieb, gemessen an Kriterien wie Energieverbrauch und Wassereffizienz.
Zwei große Kuppeln beherbergen das Planetarium und den tropischen Regenwald. Über eine riesige Wendeltreppe klettert man in feucht-tropischer Hitze von sumpfigen Wurzeln in die Baumkronen vor, umgeben von Vögeln und Schmetterlingen.
Mit einem gläsernen Aufzug taucht man ab in die Meereswelt des Untergeschosses, ins philippinische Korallenriff mit tausenden bunten Fischen und Korallen. Über den Köpfen der Besucher im Tunnelaquarium schwimmen Rochen und kleine Haie.
Zwei runde Bronzeplaketten mit Büstenporträts und den Namen der Steinhart-Brüder, einst an der alten Fassade angebracht, schmücken nun die Halle gleich um die Ecke von Krokodil Claude.
Museum beherbergt ältesten Aquarienfisch der Welt
Fast so alt wie das Aquarium ist sein Bewohner Methusela, nach Angaben des Museums der älteste lebende Aquarienfisch der Welt. Nur wenige Wochen vor dem historischen Jubiläum bestimmten Forscher mit Hilfe einer winzigen DNA-Probe von der Flosse des Australischen Lungenfisches sein Alter - um die 92 Jahre.
1938 war Methusela per Dampfschiff von Australien nach San Francisco gekommen. Diese Fische können sowohl über ihre Kiemen als auch über ihre Lungen atmen.
Aquariums-Chef Shepherd verweist auf zahlreiche Errungenschaften über die Jahrzehnte hinweg. Expeditionen zu den Galapagos-Inseln in den frühen 1930er Jahren brachten exotische Tiere mit. 1955 sei erstmals eine Dugong-Seekuh von den Palau-Inseln überhaupt in einem Aquarium gezeigt worden. Sandy, ein kleiner Weißer Hai, war 1980 die große Attraktion. Erstmals war es dem Steinhart-Team gelungen, einen Weißen Hai für mehrere Tage in einem Aquarium zu halten. In vier Tagen kamen 40.000 Besucher, erzählt Shepherd. Doch dann wurde das Tier vor der Bucht von San Francisco wieder ausgesetzt.
Forschungen für den Schutz von Ökosystemen und Artenvielfalt
Heute setzt das Naturkundemuseum mit über 600 Mitarbeitern den Schwerpunkt auf den Schutz von Ökosystemen und Artenvielfalt. So wird daran geforscht, wie man durch Klimawandel bedrohte Riffe retten kann. Das Aquarium arbeitet an der künstlichen Nachzucht von Korallen, die dann im Meer ausgesetzt werden.
Ein Projekt in Panama dreht sich um bedrohte Frösche, in Afrika geht es um Brillenpinguine, die als gefährdet gelten. In diesem Jahr seien im Steinhart-Aquarium fünf Pinguin-Küken geschlüpft, die nun zum Erhalt der genetischen Vielfalt auch Zuchtprogrammen in anderen Einrichtungen zukommen, erzählt Shepherd.
Er selbst habe den Steinhart-Brüdern viel zu verdanken, sagt der Wissenschaftler, der 1996 als Biologie-Student in dem Aquarium seine Laufbahn startete. Seit 2011 ist die Leitung der Einrichtung sein Herzensprojekt.
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