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Facebook blockiert Medien in Australien

Seit Monaten streiten Internetgiganten mit Australien über ein neues Mediengesetz. Jetzt lässt Facebook die Muskeln spielen und blockiert wichtige Seiten. Könnte das in Deutschland auch passieren?

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Als Reaktion auf ein geplantes neues Mediengesetz blockiert Facebook das Teilen von Nachrichteninhalten auf seiner Plattform in Australien. Foto: dpa/Lipinski
Als Reaktion auf ein geplantes neues Mediengesetz blockiert Facebook das Teilen von Nachrichteninhalten auf seiner Plattform in Australien.
Foto: dpa/Lipinski

SYDNEY. Facebook sucht im Disput mit der australischen Regierung über ein umstrittenes Mediengesetz die direkte Konfrontation - und hat wichtige Nachrichtenseiten auf seiner Plattform gesperrt.

Australische Facebook-Nutzer können nun keine nationalen oder internationalen journalistischen Inhalte mehr teilen. Aber auch Notdienste, Katastrophenwarnungen und Corona-Infos waren betroffen. Der offenbar unangekündigte Schritt sorgte in »Down Under« für viel Aufruhr und Zorn. Facebook versicherte, die Entscheidung »schweren Herzens« getroffen zu haben.

Durch das Mediengesetz sollen Werbeeinnahmen gerechter verteilt werden. Internetriesen wie die Google-Konzernmutter Alphabet und Facebook müssten künftig örtliche Medienunternehmen bezahlen, wenn sie deren Inhalte verbreiten. Die Internetriesen hatten in dem seit Monaten schwelenden Streit mehrfach betont, sie hielten dies für nicht umsetzbar.

Die plötzliche Sperre beherrschte in Australien die Titelseiten. Das renommierte Blatt »The Age« aus Melbourne versuchte seinen Lesern zu erklären, was über Nacht passiert war: »In den frühen Stunden des Donnerstagmorgens, kurz nachdem das Repräsentantenhaus den Gesetzentwurf gebilligt hatte, hat Facebook seine Nuklearoption genutzt: Nachrichtenlinks können nicht mehr geteilt werden und Verlage können nicht mehr auf ihren Facebook-Seiten posten.«

Deutschland steht eine Reform des Urheberrechts derweil noch bevor. Dabei geht es um die Umsetzung einer EU-Richtlinie, die bereits im Sommer 2019 beschlossen wurden. Die Bundesregierung betont, der Gesetzesentwurf sehe einen fairen Interessenausgleich vor, von dem Kreative, Rechteverwerter und Nutzer gleichermaßen profitieren würden. Aber es regt sich auch viel Widerspruch. Der Entwurf ist dabei aber weniger radikal, die Debatte moderater als in Australien.

Umstritten sind etwa so genannte Uploadfilter, die verhindern sollen, das geschützte Inhalte überhaupt unrechtmäßig hochgeladen werden. Kontrovers diskutiert wird aber auch, in welchem Umfang kurze Ausschnitte von Verlagsinhalten wie der Google-Suche oder in Facebook-Posts angezeigt werden dürfen, wenn es keine Lizenz gibt. Die Richtlinien müssen bis Juni in deutsches Recht umgesetzt werden.

Australiens Premierminister Scott Morrison machte am Donnerstag schnell klar, dass seine Regierung sich von Zuckerberg und Co. nicht einschüchtern lassen werde. Die Maßnahmen nannte er »ebenso enttäuschend wie arrogant« und wetterte, Facebook habe Australien »entfreundet«. Mit Blick auf die immer mächtigere Position von Internetgiganten sagte er: »Sie mögen die Welt verändern, aber das bedeutet nicht, dass sie sie regieren.«

Auch Google hatte in dem Tauziehen mit Canberra mit einem Abstellen seiner Suchmaschine gedroht. Nun aber lenkte der US-Riese ein und einigte sich mit mehreren Medienunternehmen auf Zahlungen für journalistische Inhalte, darunter auch mit Rupert Murdochs News Corp.

Die Vereinbarung laufe über drei Jahre, hieß es. Geplant seien »bedeutende Zahlungen« an den Konzern, der in Australien Zeitungen wie »The Daily Telegraph« und »The Herald Sun« und in Übersee etwa das »Wall Street Journal« und die Londoner »Times« besitzt. Australien-Chef Michael Miller sprach von einer »historischen Entwicklung«, von der auch Journalisten in ganz Australien und der Welt profitieren würden.

Facebook weigert sich, zu zahlen

Mit Google also rollt der Rubel, Facebook hingegen will partout nicht zahlen. Der Gesetzentwurf fuße auf einem Missverständnis zum Verhältnis zwischen den Plattformen und den Verlagen, so das Unternehmen. Australische Verlage profitierten davon, ihre Beiträge auf Facebook zu teilen. »Es stellt uns nun vor eine harte Wahl: zu versuchen, ein Gesetz zu befolgen, das die Realität dieser Beziehung verkennt, oder Nachrichteninhalte in unseren Diensten in Australien nicht länger zu erlauben. Schweren Herzens haben wir uns für Letzteres entschieden.«

Finanzminister Josh Frydenberg monierte vor allem, dass der Internetgigant die Blockade nicht angekündigt habe. »Ich ermutige Facebook, konstruktiv mit der australischen Regierung zu kooperieren, wie Google das kürzlich in gutem Glauben getan hat«, sagte er.

Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger betonte, die Reaktion von Zuckerbergs Unternehmen zeige »die Gier, Rücksichtslosigkeit und das Selbstverständnis der Monopole«. Es sei wichtig, dass Europa sich nicht einschüchtern lasse, so Hauptgeschäftsführer Stephan Scherzer.

In Australien zeige Facebook sein wahres Gesicht, betonte auch der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDVZ). »Die Plattform selbst hat den Anspruch, die Welt zu vernetzen, die Welt mit Informationen zu versorgen. Wenn aber die Politik notwendige Regeln aufstellt, dann ist es damit plötzlich vorbei und sowohl die Interessen der NutzerInnen als auch die Meinungs- und Pressefreiheit sind für Facebook auf einmal egal«, erklärte Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff.

Als Folge der Sperre waren auch einige Facebook-Seiten wichtiger Behörden blockiert - darunter der australischen Polizei, der Feuerwehr und einiger Regierungsstellen, die aktuell zur Corona-Pandemie informieren. Facebook teilte später mit, dies sei nicht beabsichtigt gewesen und die Seiten würden wiederhergestellt.

Human Rights Watch monierte, es sei »beispiellos«, Menschen mitten in der Nacht von wichtigen Informationen abzuschneiden. Amnesty International warnte, es gefährde die Menschenrechte, wenn ein Unternehmen eine derart dominante Machtposition auf dem Informationsmarkt habe. (dpa)