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Deo-Mutprobe im Netz: Wenn Trends zur Gefahr werden

Wenn Jugendliche durch waghalsige Mutproben nach Anerkennung und Zugehörigkeit streben, kann das auch schief gehen. Experten warnen vor der steigenden Gefahr durch Selbstinszenierung in den sozialen Medien.

Deospray
Wenn man sich Deo lange auf eine Hautstelle sprüht, können laut BfR im Extremfall innerhalb weniger Sekunden Temperaturabsenkungen auf bis zu -30 Grad erreicht werden. Foto: Monika Skolimowska/DPA
Wenn man sich Deo lange auf eine Hautstelle sprüht, können laut BfR im Extremfall innerhalb weniger Sekunden Temperaturabsenkungen auf bis zu -30 Grad erreicht werden.
Foto: Monika Skolimowska/DPA

Die schärfsten Chips der Welt essen, über Bahngleise rennen oder sich selbst mit einem Sprühdeo Erfrierungen zufügen - was klingt wie zusammenhanglose Spinnereien, sind tatsächlich Mutproben, die in sozialen Medien die Runde machen. Sogar das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt vor solchen mitunter lebensgefährlichen Mutproben.

Von Verbrennungen bis hin zu Atemlähmungen

Denn bei der sogenannten Deo-Challenge sprühen sich Menschen - vor allem Teenager - solange Deo auf die Haut, wie sie es aushalten. Im Extremfall können innerhalb weniger Sekunden Temperaturabsenkungen auf bis zu -30 Grad erreicht werden, hieß es. Neben Schmerzen drohten massive Hautschädigungen, das betroffene Hautareal könne absterben.

Bei einer zweiten Version der Challenge werden Aerosole von Deospray eingeatmet. Das kann laut dem Institut »unmittelbar zu Bewusstseinsverlust, Herzversagen und Atemlähmung führen«. Schwere Verläufe könnten tödlich enden oder zu einem dauerhaften Hirnschaden führen.

Der gefährliche Trend fließt auch in Ermittlungsarbeiten ein. So sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft nach einem Unfall in Oberhausen (NRW): »Wir prüfen auch, ob die Explosion im Zusammenhang mit den aktuell im Umlauf befindlichen Deo-Challenges steht.« Eine 22-Jährige hatte sich Mitte September bei einer Explosion von mutmaßlich einer großen Menge Deodorant schwer verletzt.

Sind soziale Medien schuld?

Die Challenge verbreitet sich durch Clips, in denen Menschen sie unter den entsprechenden Hashtags ausführen, in sozialen Medien. Doch Plattformen wie Tiktok sind laut Kommunikationswissenschaftler Jan-Hinrik Schmidt auf keinen Fall ein alleiniger Auslöser für die halsbrecherischen Tests. »Mutproben sind ein Phänomen, das vermutlich schon seit Jahrhunderten existiert, um die anderen zu beeindrucken, indem man über seine Grenzen hinausgeht«, sagte Schmidt der Deutschen Presse-Agentur. Er forscht am Leibniz-Institut für Medienforschung zu sozialen Medien.

In der Pubertät probieren sich Jugendliche demnach aus und testen Grenzen aus. »Da geht es dann auch darum, sich mit bestimmten Gruppen zu identifizieren«, erklärt Schmidt weiter. Manchmal seien Mutproben eine Art »rites de passage«, also eine Aufnahmeprüfung. Besonders da haben die Tests also eine gesonderte identitäts- und gruppenbildende Funktion. Es ginge um Anerkennung, Aufmerksamkeit und Zugehörigkeit.

Soziale Medien verstärken laut dem Kommunikationsforscher diesen Effekt: »Man kann sich selber präsentieren und seine persönliche Öffentlichkeit schaffen. Diese Möglichkeit gab es vorher nicht«. Besonders durch das ständige Teilen von Fotos und Videos bekräftigen Jugendliche nicht nur ihre sozialen Beziehungen, sondern erhöhen auch den Druck untereinander.

© dpa-infocom, dpa:230922-99-289965/6