Jemand zu Hause? Hinter der Haustüre sowie auf der Veranda des hübschen Holzhäuschens, das vermutlich im typisch skandinavischen Rot oder vielleicht auch in einem gedeckten Gelb gestrichen ist, brennt Licht. Genauso im Nachbargebäude und vielen anderen Häusern, die sich an Norwegens zerklüftete Küste schmiegen oder entlang der Fjorde, die sich oft bis weit hinein in das Landesinnere ziehen.
Die meisten sind unbewohnt. Genutzt nur als Feriendomizil. Oder gehören zu einem der weit verstreuten Gehöfte, die oft nur von zwei, drei Leuten bewohnt werden und aussehen wie kleine Dörfer, weil sie aus einem Wohnhaus, gerne mit Grasdach, aus separaten Scheunen, Ställen und vielleicht gar extra Räucher- und Klohäuschen bestehen. Letzteres angeblich geschmückt mit dem Konterfei ihres Königs.
Überall brennt Licht
Unter den knapp 5,6 Millionen Norwegern ist somit laut Statistik jede Familie Eigentümer von rund zehn Immobilien. Und in fast jeder brennt Licht. Weil es hübsch aussieht, und durchaus Sinn hat in einem Land, in dem es monatelang nicht richtig hell wird.
Viele Küstenbewohner gehen noch raus auf Fischfang. Und für sie ist die Beleuchtung eine gute Orientierungshilfe. An der Küste durch Wind, und im Gebirge durch Wasserkraft, wird überall in diesem Land Strom erzeugt, der nur ein paar Cent pro Kilowattstunde kostet. Manche Städte können sich daher sogar Bodenheizungen für Gehsteige oder Fußgängerzonen leisten, die dann schnee- und eisfrei bleiben. Andernfalls geht während der oft langen Winter nichts ohne Spikes oder Ketten. Denn Schnee wird nur oberflächlich geräumt, Salz ist aus Umweltgründen tabu. Spikes zählen daher für alle zur Grundausstattung. Selbst Fußgänger greifen zu mit Metallstiften verstärkten Sohlen, die sich flugs aufs Schuhwerk aufziehen und an der Haustüre wieder abstreifen lassen.
Beste Jahreszeit
Stellt sich die Frage: Wann ist die beste Jahreszeit, um dieses faszinierende Land mit all seinen Naturschönheiten zu bereisen? Zu denen zählen Abertausende größere und kleinere Inseln und Inselgruppen, darunter die Lofoten und Vesterålen, die bekannt sind für allerbesten Stockfisch. Auf riesigen Gestellen, die aus-sehen wie ein ungedecktes Dach, wird der Nordsee-Kabeljau (was dasselbe ist wie Dorsch) unter freiem Himmel getrocknet. Wobei er rund 70 Prozent seines Gewichts verliert, aber fast nichts an Nährstoffen. Trockenfisch ist lange haltbar und gefragt in aller Welt. Die Fischköpfe werden gemahlen für proteinreiche Suppen nach Afrika exportiert.
Schon mal Lebertran probiert? Wer den nördlichen Polarkreis überquert, darf das vitaminreiche Öl von einem silbernen Löffelchen testen, und wird merken: Es hat nichts gemein mit dem ranzig schmeckenden Zeug aus Kindertagen.
Markenzeichen
Norwegens Markenzeichen sind von schmelzenden Gletschern gebildete Seen mit glasklarem, türkisblauem Wasser sowie zahlreiche, oft weit ins Landesinnere reichende Meeresarme, von denen der Geiranger- sowie der Hardangerfjord die vielleicht bekanntesten sind, und der Sognefjord mit 205 Kilometern der längste und zugleich tiefste Fjord Europas. Nicht zu vergessen: Ins Meer stürzende Wasserfälle und grandiose Gebirgslandschaften.
Vorbei an hohen Gipfeln
Bei einer Reise auf den Spuren der Postschiffe kommt man den »Sieben Schwestern« und dem unvergesslichen »Felsen mit dem riesigen Loch«, also dem Torghatten, beeindruckend nahe. Nor-wegens höchster Gipfel ist zwar der 2.469 Meter hohe Galdhøpiggen im Nationalpark Jotunheimen. Doch einfacher ist es, die Seilbahnfahrt mit dem Loen Skylift auf den »nur« tausend Meter hohen Hoven zu wagen, von dem aus sich ein spektakuläres Panorama über den zu Füßen liegenden Nordfjord bietet.
Für Naturliebhaber muss der waldreiche Süden des Landes ein Paradies sein. Genauso die Finnmarksvidda im hohen Norden. Über diese riesige, im Winter tief verschneite Hochebene, treiben die ursprünglich nomadisch lebenden Samen noch immer große Rentierherden. Deren Fleisch ist genauso begehrt wie ihr wärmendes Fell und dekoratives Geweih. Wie die meisten Norweger leben auch die Sami inzwischen lieber im Süden des Landes. Und zwar in der Stadt. Geblieben ist die Naturverbundenheit. Dies erklärt auch die vielen Zweitwohnungen irgendwo am Wasser, in den Bergen oder im Wald.
Helle Sommertage, an denen die Sonne selbst nach Mitternacht nicht untergehen will. Aber auch dunkle und trübe Monate fast ohne sie und allein mit Nächten, in denen nahezu gespenstisch grellgrüne und violettfarbene Leuchterscheinungen den Himmel überziehen. Das ist die Aurora Borealis, das Nordlicht also, dem so viele hinterherjagen. Meist mit Erfolg. Dass von November bis Ende März nicht wenigstens mal ein klitzekleines Leuchten gesichtet wird, ist unwahrscheinlich …
Gepflasterte Gässchen
Auch die Städte, auf die man entlang der norwegischen Küste trifft, sind einen Stopp wert. Bergen, mit der alten Standseilbahn auf den Fløien und den bunten Weltkulturerbe-Holzhäusern aus der Zeit der Hanse entlang des Hafens, sowieso. Und auch Stavanger, wo in den 1970er- Jahren riesige Öl- und Gasvorkommen gefunden und vor der Küste gigantische Bohrinseln gebaut wurden, zeigt überraschende Seiten. Zwar hat der »Goldrausch« in der Kleinstadt die üblichen Sünden aus Beton hinterlassen. Doch viel Charme versprühen auch noch grob gepflasterte Gassen, farbenfroh getünchte Ladengeschäfte und historische Wohnhäuser mit weiß gestrichenen Holzfassaden. In moderner Hülle dagegen das Erdölmuseum, das echt spannende Infos bietet.
Krönungsort der Könige
Was haben Tromsø, Alta und Trondheim gemeinsam? All diese Städte besitzen un-gewöhnlich schöne Kirchen. In Alta ist es die futuristisch anmutende Nordlichtkathedrale, die auch eine Polarlichtausstellung beherbergt. In Tromsø weckt die Eismeerkathedrale Assoziationen an die Iglus oder auch Tipis der Samen und gilt als Wahrzeichen der quirligen Stadt mit dem Beinamen »Paris des Nordens«. Und in Trondheim ist der Nidaris-Dom ein absolutes Besucher-Muss. Und zwar nicht nur, weil die aus dem Mittelalter stammende Kathedrale mit dem vermuteten Grab des Heiligen Olavs eine Pilgerstätte und Nationalheiligtum ist, wo bis 1906 Norwegens Könige gekrönt wurden. Sondern weil man sich kaum satt sehen kann an der üppig mit Statuen dekorierten Fassade und dem prächtigen Innenraum des Domes, der umgeben ist von einem alten Friedhof sowie vom ruhig fließenden Wasser des Nidelva.
Klein, aber liebenswert, ist Ålesund, mit Gebäuden, die nach dem Stadtbrand 1904 in eher schlichtem Jugendstil wieder aufgebaut wurden. Einen tollen Eindruck von dieser von Wasser und Schären umgebenen Stadt erhält, wer die über 400 Stufen auf den Hausberg Aksla nicht scheut. Es lohnt sich! (GEA)

