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Wolf in Baden-Württemberg: EU erleichtert Abschuss

Der Wolf ist ein umstrittenes Thema in Deutschland. In der Region um Reutlingen sind Sichtungen noch selten, dafür ist er in anderen Teilen Baden-Württembergs regelmäßig unterwegs und die Populationen wachsen. Jetzt hat die EU den Schutzstatus geändert und Abschüsse sollen einfacher werden.

Der Wolf bleibt Streitthema zwischen Naturschützern und Landwirten. Die EU hat jetzt beschlossen, dass Isegrim jetzt einfacher a
Der Wolf bleibt Streitthema zwischen Naturschützern und Landwirten. Die EU hat jetzt beschlossen, dass Isegrim jetzt einfacher abgeschossen werden darf. Foto: Foto: Stratenschulte/dpa
Der Wolf bleibt Streitthema zwischen Naturschützern und Landwirten. Die EU hat jetzt beschlossen, dass Isegrim jetzt einfacher abgeschossen werden darf.
Foto: Foto: Stratenschulte/dpa

REUTLINGEN. Die Mär vom großen, bösen Wolf ist landauf, landab zwar nicht mehr die vorherrschende Meinung. Doch dass das Raubtier durch seine Wiederansiedlung in Deutschland Probleme verursacht oder zumindest für Ressentiments sorgt, ist auch in Baden-Württemberg Realität. Noch herrschen große regionale Unterschiede im Bestand. In anderen Bundesländern und bei europäischen Nachbarn werden schon lange mehr Abschüsse für »Problemwölfe« gefordert. Deshalb hat die EU den Schutzstatus von Meister Isegrim nun abgesenkt.

Der Wolfsabschuss soll in der EU künftig leichter werden. Das hat eine Mehrheit der Abgeordneten des Europäischen Parlaments am vergangenen Donnerstag in Straßburg im Eilverfahren beschlossen. In der Folge wechselt der Status von »streng geschützt« auf »geschützt«. Diese Maßnahme muss noch von den EU-Mitgliedsstaaten angenommen werden, das gilt aber als wahrscheinlich. Viele Länder wollen damit ihre Weidetiere schützen.

Umweltministerium sieht bisher wenig Probleme

Das Umweltministerium in Baden-Württemberg sieht die Lage noch entspannt. In Baden-Württemberg gebe es derzeit noch immer nur drei sesshafte, männliche Tiere. Eine dynamische Entwicklung wie in anderen Regionen scheine hier vorerst nicht einzusetzen. Das vorhandene Wolfsmanagement sei dennoch darauf ausgelegt, auf aktuelle Entwicklungen zeitnah zu reagieren. Die Auswirkungen der Herabstufung auf das Wolfsmanagement in Baden-Württemberg seien darüber hinaus aktuell noch nicht vollumfänglich absehbar. Dies liege vor allem daran, dass es eine solche Umstufung bisher noch nicht gab.

Nach der Änderung auf EU-Ebene müssten zunächst das Bundesnaturschutzgesetz und das Bundesjagdgesetz geändert werden. Dabei ist zu beachten, dass es keinen Automatismus für die Änderung der Rechtslage gibt. Aber im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist bereits festgehalten, dass die Entscheidung auf EU-Ebene unverzüglich in deutsches Recht übernommen werden soll. Durch die Änderung der FFH-Richtline (europäischer Artenschutz) auf Europaebene und die Aufnahme des Wolfs ins baden-württembergische Jagdrecht werden Abschüsse deutlich einfacher umzusetzen als aktuell. Gleichzeitig würden Naturschutzgesetze weiterhin gelten.

Ball liegt bei der Bundesregierung

Hier muss abgewartet werden, was die neue Bundesregierung genau regelt. Aufgrund der aktuell geringen Population in Baden-Württemberg werde es vorerst bei Einzelentnahmen von schadstiftenden oder verhaltensauffälligen Wölfen bleiben, so das Umweltministerium in Stuttgart. Für eine Bestandsregulierung sei die aktuelle Population im Land noch zu klein. Umweltministerin Thekla Walker sagt dazu: »Wir in Baden-Württemberg haben bisher nur sehr wenige Wölfe. Die Umstufung des Wolfs in der FFH-Richtlinie ist daher für das Wolfsmanagement hier im Land noch von untergeordneter Bedeutung. Generell aber sorgen zeitnahe Anpassungen von EU-Beschlüssen auf Bundesebene für rechtliche Klarheit.«

Schafe sind die häufigsten Beutetiere der Wölfe unter den Haustieren.
Schafe sind die häufigsten Beutetiere der Wölfe unter den Haustieren. Foto: Foto: dpa
Schafe sind die häufigsten Beutetiere der Wölfe unter den Haustieren.
Foto: Foto: dpa

Der neue Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) begrüßt seinerseits den Beschluss aus Brüssel. Man werde für klare und praktikable Regeln sorgen, den Herdenschutz voranbringen und den Ländern einen rechtssicheren Abschuss ermöglichen. »Nur wenn die Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter darauf vertrauen können, dass ihre Tiere geschützt sind, kann die Weidehaltung erhalten bleiben«, so Rainer.

Vom Landesjagdverband (LJV) aus Stuttgart heißt es schon länger: »Für die Weidetierhaltung ist der Wolf eine konkrete Bedrohung, ihre Probleme werden noch zunehmen.« Wölfe erbeuten von den Weidetieren vornehmlich Schafe und Ziegen, aber sogar Rinder und Pferde oder deren Nachwuchs. Davon seien nicht nur die Halter, sondern auch aus der Agrarförderung oder aus Naturschutzmitteln mitfinanzierte Naturschutzprojekte betroffen. Ein gutes Beispiel ist hier die Pflege der Magerwiesen der Schwäbischen Alb, welche durch die Herden von Wanderschäfern offen gehalten werden.

Die Jäger befürchten zudem, dass die wolfssichere Einzäunung aller Weiden auch Wildtieren wichtige Lebensräume entziehen könnte und besonders das Schalenwild (z.B. Rehe, Rotwild, Wildschweine) noch weiter in die Wälder zurückgedrängt. Dies sorge wiederum für Probleme beim klimasicheren Waldumbau oder Verluste in der Forstwirtschaft. »Die Einzäunung von Weidetieren, kombiniert mit dem Ausgleich von Verlusten, könne daher nicht die einzige Strategie gegen Wolfsübergriffe sein. Problemwölfe müssten rechtssicher und im Rahmen des JWMG (Jagd- und Wildtiermanagementgesetz) entnommen werden können«, so der LJV.

Kritik kommt von Seiten der Grünen auf Europaebene

Kritik zum aktuellen Beschluss kommt unter anderem von den Grünen. Die Partei bemängelt, es gebe keine wissenschaftliche Grundlage für die Entscheidung. Nutztiere wie Schafe könnten auch ohne Mehrabschüsse besser geschützt werden. Die umweltpolitische Sprecherin der Europafraktion der Grünen, Jutta Paulus, spricht von einer »Operation am offenen Herzen des EU-Naturschutzes«. »Wo heute der Wolf ins Visier genommen wird, wankt morgen der Schutz von Otter, Biber, Luchs, Kegelrobbe und Bär.«

Bei betroffenen Landwirten wird die Diskussion über den Wolf emotional geführt. Die Zahl der Risse von Nutztieren wie Schafen und Rindern steige und würde zum spürbaren Problem. Es gibt Berichte, nach denen Wölfe sogar bis in Ställe vordringen und Herdenschutzmaßnahmen deshalb nicht greifen. Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) hat von 2013 bis 2023 einen starken Anstieg an von Wölfen getöteten und verletzten Nutztieren verzeichnet. 2023 kamen nachweislich 5.727 Tiere zu Schaden, der Großteil davon Schafe.

Nach Angaben der Artenschutzorganisation WWF wurde der Wolf in Westeuropa und damit auch in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts ausgerottet. Er überlebte demnach nur im Osten und Süden Europas. Laut Bundesumweltministerium wurden im Monitoringjahr 2023/2024 rund 1.600 Wölfe in Deutschland nachgewiesen – Tendenz steigend. Das Europäische Umweltbüro (EEB) – ein Dachverband von Umweltorganisationen – schätzt, dass es in Europa mehr als 20.000 Tiere gibt. (GEA)