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Aktuell Protest

Wie jeder die Demokratie stärken kann

Zu Tausenden gehen die Menschen überall in Deutschland gegen die AfD auf die Straße. Doch was bringen die Demos also überhaupt? Und was kann jeder Einzelne für die Demokratie tun?

Proteste gegen die AfD gibt es gerade in ganz Deutschland. Stigmatisierungen der AfD-Wähler sind dort häufig zu sehen und zu hör
Proteste gegen die AfD gibt es gerade in ganz Deutschland. Stigmatisierungen der AfD-Wähler sind dort häufig zu sehen und zu hören - sie bewirken aber wohl eher das Gegenteil. Foto: Roberto Pfeil/dpa
Proteste gegen die AfD gibt es gerade in ganz Deutschland. Stigmatisierungen der AfD-Wähler sind dort häufig zu sehen und zu hören - sie bewirken aber wohl eher das Gegenteil.
Foto: Roberto Pfeil/dpa

REUTLINGEN.. Ein Geheimtreffen Rechtsextremer und AfD-Politiker, das vom Recherchenetzwerk Correctiv aufgedeckt wurde, treibt Hunderttausende auf die Straßen der Republik. Sie demonstrieren gegen rechts und hoffen, ihre Mitbürger wachzurütteln. Allen voran natürlich die Menschen, die die AfD wählen. Die AfD sieht sich hingegen als Opfer einer Kampagne. Doch was bringen die Demos also überhaupt? Und was kann jeder Einzelne für die Demokratie tun, außer auf die Straße zu gehen? Hier ein paar Antworten.

Was bringen die Demos gegen die AfD und gegen rechts?

In einem sind sich Soziologen, Politikwissenschaftler, Extremismusforscher und viele Politiker einig: Die Demonstrationen gegen rechts sind ein wichtiges Symbol für die Demokratie. Extremismusforscherin Julia Ebner sagte im Interview mit tageschau.de, die Proteste seien ein »gesamtgesellschaftliches Zeichen gegen Hass, gegen Rassismus und gegen Demokratiefeindlichkeit«. Die Sozialpsychologin Fiona Kalkstein glaubt, die Demonstrationen brächten die AfD in Bedrängnis. »Es ist jetzt sichtbar, dass sie eben nicht die Stimme des 'Volkes' ist, als die sie sich oft inszeniert«, so Kalkstein.

Die Demonstrationen werden von einem breiten Minimalkonsens in der Gesellschaft getragen, sagt Nina Wienkoop vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung Berlin. Man könne sich darauf einigen, dass man gegen rechts sei. Dabei ist jedoch unklar, was rechts bedeutet. »Rechts und links, das sind erstmal legitime politische Spektren«, gibt etwa der Extremismusforscher Peter Neumann in der Berliner Morgenpost zu bedenken. Wichtiger sei, dass gegen Extremismus demonstriert würde. Ob der Erfolg der Proteste aber langfristig sei, darüber sind die Forscher uneins. Gemeinsame Forderungen der Protestierenden seien nicht klar zu erkennen, sagt Volker Kronenberg, Professor am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn, dem NDR. Nachhaltig könne sich nur etwas ändern, wenn die tatsächlichen Probleme im Land gelöst würden. Extremismusforscher Neumann glaubt dennoch, dass die etwa 50 Prozent der AfD-Wähler, die kein gefestigtes rechtsextremes Weltbild haben, durch die Proteste zum Nachdenken angeregt werden.

Was können die Demos nicht leisten?

Bisher zeigt sich zumindest keine unmittelbare Schwächung der AfD. Weder in den Mitgliederzahlen noch in den Umfragewerten stürzt die Partei seit den Enthüllungen von Correctiv ab. Manche Experten glauben auch, dass die Proteste am Ende der AfD nutzen könnten, wenn sie ihre Opferrolle weiter perfektioniert. So versucht die AfD aktuell die Protestwelle als eine Kampagne gegen sich darzustellen. Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke behauptet etwa, dass Bilder, die die Größe von Demonstrationen zeigen sollen, manipuliert seien. Diese Behauptung ist jedoch nicht haltbar. Dass solch eine Strategie auf lange Sicht jedoch Erfolg haben kann, zeigt Donald Trump in den USA gerade sehr eindrucksvoll.

Doch lassen sich mit den Demos zumindest Protestwähler umstimmen? Meinungsforscher Roland Abold von Infratest dimap schätzt den Anteil der überzeugten AfD-Wähler auf etwa 50 Prozent ein. Mit Stigmatisierungen seien die anderen 50 Prozent der Protestwähler jedoch nicht zu erreichen. Stattdessen müsse man auf ihre Bedürfnisse eingehen.

Wie aussichtsreich wäre ein Verbotsverfahren gegen die AfD?

Seit dem Geheimtreffen in Potsdam, an dem einige AfD-Politiker teilgenommen haben, mehren sich die Forderungen nach einem AfD-Verbot. Juristisch ist das aber schwierig. Das Bundesinnenministerium schreibt dazu: "Eine Partei kann nur dann verboten werden, wenn sie nicht nur eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt, sondern diese Haltung auch in aktiv-kämpferischer, aggressiver Weise umsetzen will. Für ein Parteiverbot genügt es also nicht, dass oberste Verfassungswerte in der politischen Meinungsäußerung in Zweifel gezogen, nicht anerkannt, abgelehnt oder ihnen andere entgegengesetzt werden. Die Partei muss vielmehr planvoll das Funktionieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen wollen." Das juristisch sicher nachzuweisen, dürfte bei der AfD schwer sein, da auch die Beobachtung durch den Verfassungsschutz während eines Verbotsverfahrens eingestellt werden müsste.

Während des langwierigen Prozesses bekäme die Partei zudem viel Aufmerksamkeit und könnte sich als Opfer stilisieren. So äußerten etwa CDU-Chef Friedrich Merz und Bundesjustizminister Marco Buschmann die Sorge, dass ein Verbotsverfahren vor den Wahlen in Ostdeutschland Wasser auf die Mühlen der AfD wäre. Auch die Beobachtung als Verdachtsfall hat der AfD schließlich bisher kaum geschadet.

Was kann jeder Bürger für die Demokratie tun?

Das Einfachste, um sich aktiv für Demokratie einzusetzen, ist, wählen zu gehen. Dazu hat man im laufenden Jahr Gelegenheit, denn es stehen auch bei uns in Baden-Württemberg die Europawahl und die Kommunalwahlen an. Vor allem bei den Wahlen zum EU-Parlament ist die Wahlbeteiligung oft gering, das stärkt die extremen Parteien. Wer aber noch weiter als zur Wahlurne gehen möchte, kann sich auch selbst aufstellen lassen. Schon wer sich in Vereinen und Verbänden, die sich für den Erhalt der Demokratie einsetzen, auf einen Posten wählen lässt, hilft der Demokratie. Und auch, wer sich einfach für den Elternbeirat oder im Sportverein als Vorstand bewirbt, stärkt mit Wettbewerb die Ideen der Demokratie. Am Ende kann man zudem mehr bewegen, wenn man gewählt ist.

Wem das alles zu viel ist, der kann sich auch für Demokratie einsetzen, indem er gewählte Organe und Personen unterstützt und sich informiert. Dazu gibt es viele Möglichkeiten, wie etwa in Zeitungen oder den Besuch von Orten der Demokratie, wie Landtag oder Bundestag mit Besuch einer Plenarsitzung. Abgeordnete bieten zudem in der Regel Bürgersprechstunden an und treten öffentlich auf. Hier kann man zum direkten demokratischen Diskurs zwischen Bürgern und gewählten Vertretern beitragen.

Generell kann jeder Einzelne in seinem Umkreis für demokratische Werte eintreten. Fakenews und Hetze in den Sozialen Medien können gemeldet werden. WhatsApp-Nachrichten mit populistischen Inhalten sollten nicht unhinterfragt weitergeleitet werden. Online finden sich zur Überprüfung der Inhalte auch Faktenchecker-Seiten wie etwa der Faktenfuchs des BR oder der Faktencheck von Correctiv. Im privaten Umfeld bei Gesprächen ist es zudem wichtig, im Gespräch zu bleiben und andere Meinungen wirklich anzuhören - auch wenn man mit der Meinung des anderen nicht übereinstimmt. Denn genau das bedeutet Demokratie. (GEA)