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Wie geht's Grün-Rot vor der Kretschmann-Wahl?

STUTTGART. Die Nervosität bei den frisch gebackenen Koalitionären ist mit Händen zu greifen. In den Reihen der Grünen im Stuttgarter Landtag wird allenthalben gewarnt, bloß nicht zu glauben, CDU und FDP würden Winfried Kretschmann mit zum ersten grünen Regierungschef in Deutschland wählen. Soll heißen: Die beiden angehenden Regierungsfraktionen müssen an diesem Donnerstag die Reihen ganz dicht schließen, um den historischen Machtwechsel Wirklichkeit werden zu lassen.

Der designierte Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann.
Der designierte Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann. Foto: dpa
Der designierte Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann.
Foto: dpa
Grüne und SPD haben zwar zusammen 71 Stimmen, der langjährige Fraktionschef Kretschmann braucht aber mindestens 70 Stimmen - eine Stimme mehr als die der Hälfte aller Landtagsabgeordneten. Für Grün-Rot wäre schon ein Scheitern im ersten Wahlgang ein Horror-Szenario.

Der Grünen-Abgeordnete Reinhold Pix hat sicherheitshalber per Handy seinen Wahlzettel fotografiert, als er am Mittwoch in der ersten Sitzung des Landtags für seine Kollegin Brigitte Lösch als stellvertretende Parlamentspräsidentin votierte. Es sollte ein erster Beweis seiner Loyalität sein. In der SPD wurde nämlich geunkt, der Agrarexperte könnte aus Frust Kretschmann die Stimme verweigern. Pix hatte mit dem Agrarministerium geliebäugelt, musste aber dem Bundestagsabgeordneten Alexander Bonde den Vortritt lassen.

Kretschmann hatte jüngst selbst an das Desaster von Heide Simonis erinnert. Er sei zwar zuversichtlich, bereits im ersten Wahlgang zum Regierungschef gekürt zu werden. Alle wüssten, was auf dem Spiel steht. Dann schränkte er ein: »Man hat ja schon so einiges erlebt. Ich denke da nur an die Frau Simonis in Schleswig-Holstein.« Die SPD-Politikerin war 2005 bei ihrer Wiederwahl zur Ministerpräsidentin in vier Wahlgängen durchgefallen.

Einen Fehlstart mit mehreren Urnengängen kann sich das völlig neue Bündnis im Südwesten eigentlich nicht leisten. Und so gingen Grüne und SPD am Mittwoch auf die künftige Opposition zu und hoben den scheidenden Finanzminister Willi Stächele (CDU) mit ins Amt. Mindestens 42 von 70 Abgeordneten der neuen grün-roten Koalition votierten für den Südbadener, obwohl SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel vor knapp einer Woche nicht ausgeschlossen hatte, dass Stächele scheitern könnte. Unverändert groß sei der Ärger über Stächeles »Sündenfall«, meinte Schmiedel damals. Denn Ende 2010 hatte der damalige Minister den geheimen EnBW-Deal abgesegnet. Stächele habe mit seinem Ja zum Rückkauf der Landesanteile an dem Energieversorger den Landtag umgangen.

Doch der Ärger schien am Mittwoch verflogen zu sein. 109 von 137 Stimmen erntete Stächele. Die Frage ist nun: Gehen auch CDU und FDP an diesem Donnerstag auf die künftige Koalition zu? Das ist kaum zu erwarten. »Unsere Reihen stehen«, meint CDU-Fraktionschef Peter Hauk. Auch sein FDP-Pendant Hans-Ulrich Rülke sieht keinen Grund, Grün-Rot auch nur einen Millimeter entgegenzukommen.

Zugleich herrscht in den Reihen der neuen Koalition Hochspannung. So waren bei der Wahl des Vize-Landtagspräsidenten Wolfgang Drexler (SPD) zwei Stimmzettel ungültig, weil sie die Worte »Gegen Stuttgart 21« trugen. Offenkundig haben es einige Grüne dem altgedienten Esslinger Parlamentarier nicht verziehen, dass er einige Monate lang das Projektbüro des umkämpften milliardenschweren Bauvorhabens für den Tiefbahnhof geleitet hatte. Gleichwohl ist Drexler überzeugt, dass bei Kretschmanns Wahl alles glattgehen wird. (dpa)