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Wie die Ampel die Preise senken will

Gaspreisbremse statt Gasumlage. Die Koalition beschließt ein umfangreiches Hilfspaket

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Christian Lindner (FDP) stell
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Christian Lindner (FDP) stellen Pläne der Bundesregierung zur Energieversorgung und Preisbegrenzung für Gas vor. FOTO: NIETFELD/DPA
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Christian Lindner (FDP) stellen Pläne der Bundesregierung zur Energieversorgung und Preisbegrenzung für Gas vor. FOTO: NIETFELD/DPA

BERLIN. In der Energiekrise schaltet die Bundesregierung rhetorisch in den Kriegsmodus. »Wir befinden uns in einem Energiekrieg«, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bei der Vorstellung des neuen Krisenplans der Ampel-Koalition. Wer sich im Krieg wähnt, kann alle Mittel mobilisieren. Ein Überblick, was die Regierung plant.

Was sieht das Hilfspaket aus?

Die Bundesregierung will mit einem »umfassenden Abwehrschirm« die steigenden Energiekosten und die schwersten Folgen für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen abfedern. Kanzler Olaf Scholz spricht hier von einem »Doppel-Wumms«. Für den Abwehrschirm stellt die Bundesregierung bis zu 200 Milliarden Euro zur Verfügung. Mit dem Geld sollen die enorm gestiegen Strom- und Gaspreise gesenkt werden, die Verbraucher und Unternehmen plagen. Die Mittel dienen auch dazu, die großen Gasimporteure zu stützen, die derzeit teuer Ersatz für ausbleibendes russisches Gas beschaffen. »Die Preise müssen runter«, sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD).

Wofür ist das Geld vorgesehen?

Mit dem Geld soll neben der Strompreisbremse vor allem auch eine Gaspreisbremse finanziert werden. Wie genau die aussieht, steht allerdings noch nicht fest. Eine Expertenkommission arbeitet noch an den Details. Es deutet sich aber an, dass nur ein bestimmter Prozentsatz der höheren Gaspreise übernommen wird, damit ein Anreiz zum Energiesparen bestehen bleibt.

Wie wird das Paket umgesetzt?

Die Regierung legt für den »Doppel-Wumms« einen neuen Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds auf. So etwas gab es beispielsweise schon auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie. Der Fonds hatte ein Volumen von 600 Milliarden Euro. Die Finanzkrise 2007/2008 zog einen solchen Fonds in Höhe von 500 Milliarden Euro nach sich. Die Schuldenbremse soll 2023 trotz der neuen Milliardenhilfen eingehalten werden, wie Finanzminister Christian Lindner (FDP) versichert.

Wie funktioniert die Strompreisbremse?

Das Instrument der Strompreisbremse soll folgendermaßen funktionieren: Der Staat subventioniert einen Basisverbrauch der privaten Verbraucher und Unternehmen. Den Energieversorgern zahlt die Regierung die Differenz zu den höheren Marktpreisen. Der über dem Basisverbrauch liegende Bedarf wird nicht verbilligt, um Firmen und Haushalte zum Energiesparen anzureizen. Für die Gaspreisbremse hat die Regierung noch kein fertiges Konzept. Eine Expertenkommission soll dieses schnell erarbeiten. »Die Energiekrise droht sich zu einer Wirtschafts- und sozialen Krise auszuwachsen«, erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der Präsentation des Abwehrschirms. Der sei die Antwort auf Putins Angriff gegen die deutsche Volkswirtschaft.

Reicht das?

Die Bundesregierung appelliert trotz der Milliardenhilfen an Unternehmen und private Haushalte, den Energieverbrauch zu senken. Die Industrie hat das schon getan und spart rund 20 Prozent ein. Bei den privaten Haushalten wird derzeit vielfach noch keine Energie gespart, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) deutlich machte.

Was ist mit der Gasumlage?

Im Gegenzug verzichtet die Regierung in letzter Minute auf die Gasumlage, die eigentlich ab Samstag greifen sollte. Die beschlossene Mehrwertsteuersenkung auf Gas bleibt dennoch bestehen. »Man kann sagen, das ist hier Doppel-Wumms«, meinte der Kanzler und bezog sich damit auf die Hilfspakete aus der Corona-Pandemie.

Warum hat die Koalition so lange um das Hilfspaket gerungen?

In den vergangenen Tagen hatten Habeck, Scholz und Lindner hektisch nach einem Ausweg aus der Sackgasse der Gasumlage gesucht. Der Ausweg war lange verstellt, weil Lindner im nächsten Jahr die Schuldenbremse wieder einhalten will. Die Bundesregierung bediente sich dafür des Buchungstricks, den sie schon zweimal angewendet hat. Wie beim Sondervermögen für die Bundeswehr und dem Klimafonds nimmt sie dieses Jahr das dritte Mal vorsorglich enorme Summen auf, um die großen Aufgaben der nächsten Jahre zu finanzieren.

Praktisch für Lindner ist, dass in diesem Jahr die Schuldenbremse wegen Corona ausgesetzt ist. »Das Verfahren ist nicht riskant«, kommentierte der FDP-Vorsitzende das Auftürmen neuer Verbindlichkeiten. Allerdings klagt die Unionsfraktion vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe gegen Lindners Finanzmanöver beim Klimafonds. Denkbar ist, dass CDU und CSU eine zweite Klage folgen lassen.

Wie sind die Reaktionen auf die Pläne der Regierung?

Oppositionsführer Friedrich Merz sagte, dass zentrale Begriffe aus dem Regierungsplan wie »Schutzschirm« oder »Preisbremse« ihn an frühere Forderungen aus der Union erinnerten. Generell begrüße er aber, »dass die Bundesregierung zu Entscheidungen kommt«. Die Kalkulationsgrundlage für die angekündigten 200 Milliarden Euro erschließe sich ihm allerdings nicht. Bei der abgesagten Gasumlage sei schließlich von Einnahmen von 30 Milliarden Euro ausgegangen worden. Zusammen mit bisherigen Hilfs- und Entlastungsmaßnahmen habe die Bundesregierung 360 Milliarden neue Schulden in diesem Jahr beschlossen. »Das ist fast ein kompletter Bundeshaushalt, der jetzt in Form eines Schattenhaushalts aufgetürmt wird«, kritisierte Merz.

CSU-Chef Markus Söder lobte den »Abwehrschirm« gegen die steigenden Energiekosten im Grundsatz. Er habe stets einen großen Wurf gefordert, »dies scheint der Fall zu sein«, so der bayerische Ministerpräsident.

Aus der Wirtschaft kommt Zustimmung zur Gaspreisbremse. Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, einer besonders energieintensiven Branche, sagte: »Das ist ein Befreiungsschlag. Geklotzt und nicht gekleckert.« Doch nun sei »Tempo bei den Details« nötig, »denn immer mehr Unternehmen stehen mit dem Rücken zur Wand«. (GEA)