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Wegen »Partygate«: Ex-Premier Johnson legt Mandat nieder

Die »Partygate«-Affäre um illegale Lockdown-Feiern holt Boris Johnson ein. Der britische Ex-Regierungschef tritt mit sofortiger Wirkung aus dem Parlament zurück. Doch damit ist die Saga noch nicht vorbei.

Boris Johnson
Boris Johnson, ehemaliger Premierminister von Großbritannien. Foto: Kin Cheung
Boris Johnson, ehemaliger Premierminister von Großbritannien.
Foto: Kin Cheung

Der britische Ex-Premierminister Boris Johnson hat nach Ansicht eines Parlamentsausschusses das Unterhaus belogen. Er tritt deshalb als Abgeordneter mit sofortiger Wirkung zurück, wie Johnson am Freitagabend mitteilte. Er betonte zugleich, er habe kein Verständnis für die Vorwürfe des Ausschusses in dem Skandal um illegale Lockdown-Feiern in der Downing Street. Der Ausschuss zur »Partygate«-Affäre, in dem auch Abgeordnete von Johnsons Konservativer Partei vertreten sind, habe empfohlen, den Ex-Premier für zehn Tage zu suspendieren, berichteten britische Medien übereinstimmend. Der Fall dürfte auch den aktuellen Regierungschef Rishi Sunak belasten.

Er sei sehr traurig, das Parlament – zumindest vorerst – verlassen zu müssen, hieß es in Johnsons Mitteilung weiter. Aber er sei »auf antidemokratische Weise« von einem Ausschuss unter Vorsitz einer Politikerin der Labour-Partei »mit ungeheuerlicher Voreingenommenheit aus dem Parlament gedrängt« worden. Es sei eine Ehre gewesen, als Abgeordneter sowie Bürgermeister von London zu dienen, hieß es in der Mitteilung weiter. Inmitten schlechter Umfragewerte für die konservativen Tories kommt es nun zu einer Nachwahl in Johnsons Wahlkreis im Nordwesten Londons.

Deutliche Kritik an Sunak

Johnson kritisierte seinen Nach-Nachfolger Sunak deutlich. Als er im Sommer 2022 die Downing Street verlassen habe, hätten die Tories in Umfragen nur knapp hinter der stärksten Oppositionspartei Labour zurückgelegen. »Diese Lücke ist nun viel größer geworden«, betonte Johnson. Umfragen deuten aktuell auf eine krachende Niederlage der Konservativen bei der für 2024 geplanten Parlamentswahl hin. Johnson hat vor allem an der Parteibasis im Gegensatz zu Sunak, den viele Mitglieder als »Königsmörder« des Populisten sehen, noch immer viele Unterstützer. Der Schritt lege die internen Streitigkeiten innerhalb der Konservativen Partei offen, kommentierte der TV-Sender Sky News.

Zuvor hatte der Parlamentsausschuss das Ermittlungsergebnis an Johnson übergeben. Die Mitglieder des Privileges Committee hätten dem 58-Jährigen zwei Wochen Frist für eine Antwort eingeräumt, berichtete die BBC am Freitag. In dem »Warnschreiben« seien Kritikpunkte und entsprechende Beweise aufgelistet sowie die Strafe, die die Abgeordneten empfehlen wollen. Johnson kommt mit seinem Rücktritt nun einem Votum im Unterhaus zuvor.

Das Parlament belogen?

Der Ausschuss untersucht, ob Johnson das Parlament in dem Skandal um illegale Lockdown-Partys in der Downing Street belogen hat - und hat diese Frage nun offensichtlich bejaht. Während der Corona-Pandemie hatten sich Regierungsbeschäftigte immer wieder entgegen der Vorschriften in der Downing Street und Behörden zu Feiern mit Alkohol und Musik getroffen. Johnson und Sunak mussten wegen ihrer Teilnahme an einer Veranstaltung jeweils eine Geldstrafe zahlen. Der Ex-Regierungschef betonte, der Ausschuss habe nicht einen »Schnipsel« eine Beweises für seine Verfehlungen vorgelegt.

Wie kurz vor Johnsons Rücktritt bekannt wurde, belohnt der Brexit-Vorkämpfer mehrere Vertraute sowie Mitarbeiter aus der »Partygate«-Affäre mit Sitzen im House of Lords und royalen Ehren. Das geht aus Johnsons am Freitagabend veröffentlichter »Prime Minister's Resignation Honours List« hervor. Sein ehemaliger Büroleiter Martin Reynolds, der zu einer illegalen Lockdown-Feier in der Downing Street mit der Aufforderung einlud, selbst Alkohol mitzubringen, erhält ebenfalls einen royalen Titel.

Wie alle ausgeschiedenen Premierminister darf auch Johnson, der im September 2022 auf Druck seiner Partei zurückgetreten war, neue Mitglieder für das House of Lords ernennen oder für Ehrungen nominieren. Die Opposition kritisierte, Johnson missbrauche die Tradition für Vetternwirtschaft. Auch ehemalige Mitarbeiter Johnsons zeigten sich empört.

© dpa-infocom, dpa:230609-99-03034/5