REUTLINGEN. Nachdem bei der Europawahl deutlich wurde, wie sehr die Partei von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an Rückhalt verloren hat, hat dieser kurzerhand Neuwahlen angesetzt. Eine zutiefst demokratische Geste? Oder doch eher politisches Kalkül. So oder so, Macron könnte sich damit sein politisches Grab geschaufelt haben.
Sicherlich wurde Macron davon überrascht, dass sich so kurzfristig ein linkes Bündnis gegen ihn formieren würde. Sollte er darauf gehofft haben, dass sich die Mehrheit der Franzosen in der entscheidenden Stichwahl doch lieber für seine Partei entscheiden würde anstatt für die Partei der rechtsnationalen Marine Le Pen, könnte er sich verkalkuliert haben. Derzeit liegt das linke Bündnis vor Marcons Partei auf Platz zwei und böte so in den meisten Wahlkreisen eine neue Alternative zu Le Pens Radikalen.
Doch möglicherweise spielt Macron auch ein viel gefährlicheres Spiel. Vielleicht gibt er auch sehenden Auges die Mehrheit im Parlament an die Rechtsnationalen und ernennt sogar deren jungen Shooting-Star Jordan Bardella zum Premierminister. Soll sich der Rassemblement National an der Macht doch selbst entzaubern, während er sich mit den vielfältigen Problemen Frankreichs rumschlägt. Dann wird sich schon zeigen, wie die radikalpopulistischen Positionen an den Zwängen der Realpolitik zerschellen. Ähnlich wie bei Postfaschistin Giorgia Meloni in Italien. Eine Garantie dafür, dass die dann enttäuschten Wähler bei der nächsten Wahl wieder in Macrons Lager zurückkehren, gibt es jedoch nicht.