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Wahlcheck: Gute Zahlen, wenig Reformen

REUTLINGEN. Nach Ansicht der Union ist Deutschland finanzpolitisch schon jetzt auf einem guten Weg: Dank der Bundesregierung, die die Ausgaben begrenzt, die Schuldenbremse eingeführt und durch »erfolgreiche Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik« die Einnahmen erhöht habe. In der kommenden Legislaturperiode soll nun zunächst ein Haushalt ohne neue Schulden vorgelegt werden, um dann damit zu beginnen, den Schuldenberg des Bundes abzutragen.

Export. FOTO: DPA
Export. FOTO: DPA
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Natürlich ist nicht weiter verwunderlich, dass sich die Regierung selbst ein gutes Zeugnis ausstellt, aber auch ein Blick auf die nackten Zahlen lässt eine positive Entwicklung erkennen, zumindest bei den Arbeitslosenzahlen. Im Jahr 2009, als Schwarz-Gelb die Große Koalition ablöste, lag die Arbeitslosenquote im Jahresschnitt bei 8,1 Prozent, 3,4 Millionen Menschen waren in Deutschland ohne Arbeit. 2012 lag die Quote bei 6,8 Prozent, in absoluten Zahlen, heißt dies 2,9 Millionen arbeitslose Menschen. Im Schnitt des laufenden Jahres stieg die Quote wieder leicht an auf 7,1 Prozent.

Eine durchwachsene Bilanz hat das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) Kanzlerin Angela Merkel ausgestellt. Als Regierungschefin ihrer schwarz-roten und schwarz-gelben Kabinette habe sie etwa beim Euro-Krisenmanagement und der Haushaltskonsolidierung punkten können, teilte das Institut mit.

Dem Mainstream folgend

Die Weiterentwicklung der Reform-Agenda sei dabei aber auf der Strecke geblieben. »Besonders schwer wiegt die Energiewende, die auch zwei Jahre nach Ausrufung keine realistische Umsetzungsperspektive hat«, sagte Instituts-Direktor Michael Hüther vor Monatsfrist der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. Das bedrohe den Industriestandort.

Insgesamt habe sich das Reformtempo der Regierung Merkel in den vergangenen Jahren trotz gesunkener Arbeitslosenzahlen deutlich verlangsamt. Nach der Bundestagswahl müsse unter anderem eine tief greifende Steuerreform auf die Tagesordnung gesetzt werden, forderte das Institut.

Ungewöhnlich unfreundlich auch das Urteil von einer Seite, die der Union ansonsten eher zugetan ist: So zeigte sich Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt im März »tief enttäuscht« über die Politik der schwarz-gelben Koalition. Er wirft der Bundesregierung vor, dem Mainstream zulasten der Wirtschaft zu folgen. Wegen steigender Strompreise sieht er Tausende Arbeitsplätze in Gefahr, wie er dem Magazin »Focus« mitteilte.

Die Regierung Merkel sei mit dem Versprechen angetreten, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu verbessern, sagte Dieter Hundt der Zeitung »Die Welt« damals. Nun gehe es jedoch um Themen wie Mindestlohn und neue Sozialleistungen. »Das mag dem derzeitigen ›Mainstream‹ der Bevölkerung entsprechen«, sagte Hundt. »Aus Sicht der Wirtschaft ist es falsch.«

Dennoch – Fakt ist, dass Deutschland wirtschaftlich glänzend dasteht, die Bundesrepublik ist Export-Lokomotive in Europa, und die Arbeitslosenquote liegt deutlich unter dem Schnitt der wichtigsten Industrieländer, die Industrie hierzulande kann mit einer außerordentlich hohen Produktivität aufwarten. Merkel verkauft das gerne als Erfolg von Schwarz-Gelb, Experten verweisen aber darauf, dass Merkel in diesen Bereichen noch von Schröders Agenda-Politik profitiert.

Einiges nicht erledigt

Das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) verweist etwa darauf, dass das Vermögen des durchschnittlichen Haushalts in Deutschland hinter dem Italiens, Spaniens und sogar Griechenlands liege. Die Hausaufgaben in Sachen Wirtschaftspolitik, nämlich günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, seien nicht erledigt worden, urteilt das DIW. Allerdings, auch das räumen die meisten Experten ein, war die Regierung seit 2009 durch die Staatsschuldenkrise in der Eurozone extrem gefordert. Und die Bewältigung dieser Krise ist wiederum ganz gut gelungen. (GEA)