STUTTGART. Die Landeshauptstadt hat nach wie vor ein Defizit bei der Unterbringung von Geflüchteten. Das Justiz- und Integrationsministerium von Marion Gentges (CDU) dringt darauf, dass das Saldo von 500 Personen abgebaut wird. In einer nicht öffentlichen Sitzung hat Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) den Stadträten daher die Anmietung eines Hotels in der City nahegelegt. Einen nachhaltigen Befreiungsschlag könnte allerdings ein Deal mit dem Land und der Adler-Group bringen.
Fuhrmann hat der Stadt mit der Hotelanmietung in der Marienstraße etwas Luft verschafft. 245 Plätze können dort vergleichsweise kurzfristig belegt werden, der Preis liegt bei 50 Euro pro Bett und Nacht, also 381.300 Euro im Monat. Das hatte die Stadt den Bürgervertretern bereits im Oktober 2023 vorgerechnet. Der Betreiber zog damals sein Angebot kurzfristig zurück, nun brachte er die Unterkunft wieder auf den Markt. Dazu sollten sich 2023 die Kosten für das Catering addieren: 33 Euro pro Person und Tag, im Monat also rund 242.000 Euro. Die Stadt geht den Handel ein.
Hotels gelten als zu teuer
Hotels will die Kommune eigentlich nicht mehr belegen, diese Art der Unterkunft gilt, auch wegen des Caterings, als vergleichsweise teuer. Modulbauten oder Containeranlagen, die von der Kommune für zunächst maximal fünf Jahre genehmigt werden, sollen die Hotelunterbringung mittelfristig ablösen. Womöglich erarbeiten sich Stadt und Land aber gemeinsam eine weitere, für beide Seiten günstige Lösung.
Denn erstmals wollen Vertreter des Justiz- und Integrationsministeriums und der Stadt gemeinsam mit der in Schieflage geratenen Adler-Group über den Kauf des früheren IBM-Areal in Vaihingen verhandeln. Das wurde unserer Zeitung auf Anfrage vom Ministerium bestätigt. Es gehe um ein »Gespräch auf Arbeitsebene«, man befinde sich in einem »frühen Stadium der Prüfung« für eine Landeserstaufnahme-Einrichtung (Lea), heißt es im Ministerium. Dort will man möglichst wenig Aufhebens um das Thema machen.
Auf den rund 20 Hektar am Stadtrand plant Stuttgart eigentlich den Bau von bis zu 2.000 Wohnungen. Planrecht, Wettbewerbe, Ausschreibungen und Bau würden aber noch mehrere Jahre dauern. Eigentümerin des IBM-Campus, der in den letzten Jahren durch viele Hände ging, ist die Adler-Tochter Consus Real Estate. Die Stadt hat den Campus jüngst als städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) definiert, was das Linksbündnis im Gemeinderat gefordert hatte. Bei einer SEM würde beim Weiterverkauf altes Baurecht gelten, der Verkehrswert würde mithin in den Keller gehen. Ob die Stadt bei einem Rechtsstreit über die Anwendung von SEM obsiegen würde, steht dahin. Offen ist aber auch die Frage, wie lange Consus den wegen der Immobilienkrise fortschreitenden Wertverfall des Grundstücks noch aussitzen kann, er belastet die Bilanz. Für das Projekt »VAI Campus« sei eine Veräußerung »an einen Investor oder einen Kooperationspartner vorgesehen. Wir befinden uns bereits in Gesprächen mit mehreren Interessenten«, heißt es bei der Adler-Group.
Frühere Oberbürgermeister würden den Kauf durch die Stadt und deren Verpachtung an das Land für eine Lea als Win-win-Situation beschreiben. Das Land muss die Kapazität der Lea in Ellwangen ersetzten, dort steht sie im Wort, den Standort aufzugeben. Das Gelände dort gehört dem Bund, eine Miete falle für diese Liegenschaft nicht an, so das Ministerium. In Stuttgart wäre das anders. Bei einem Kauf durch die Stadt könnten diese einige Jahre Pacht vom Land erlösen und so einen Teil des Kaufpreises refinanzieren. Allerdings galt der Aufwand, auf dem Areal eine Lea einzurichten, vor Jahren als zu hoch. Stadt- und Landkreise mit einer Lea profitierten, weil sie bei der Zuteilung von Geflüchteten privilegiert würden, die Zahlen werden angerechnet. Mit einer Lea auf dem IBM-Areal könnte Stuttgart auch dem Druck begegnen, weitere Plätze im Stadtgebiet schaffen zu müssen. »Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Erstaufnahmeeinrichtungen eigene Infrastruktur vorhalten und so die Infrastruktur der Stadt deutlich entlastet wird. Das gilt für Kitas und Schulen, weil die Bewohner einer Erstaufnahmeeinrichtung anders als die Bewohner in der vorläufigen Unterbringung nicht schulpflichtig sind und keinen Anspruch auf einen Kitaplatz haben«, wirbt das Ministerium offensiv für eine Ansiedlung. (GEA)