Logo
Aktuell Kommentar

Umwelthilfe-Klage: Ein zweischneidiges Schwert

Die Verlagerung der Politik von den Parlamenten in die Gerichtssäle ist ein Problem, kritisiert GEA-Redakteur Martin Zimmermann.

Ein Urteil zur Luftreinheit könnte ein Tempo-Limit auf Autobahnen bedeuten.
Ein Urteil zur Luftreinheit könnte ein Tempo-Limit auf Autobahnen bedeuten. Foto: Marijan Murat/dpa
Ein Urteil zur Luftreinheit könnte ein Tempo-Limit auf Autobahnen bedeuten.
Foto: Marijan Murat/dpa

REUTLINGEN. Die Bundesregierung muss ihr Nationales Luftreinhalteprogramm nachschärfen. Richter entschieden, dass die bisher aufgelisteten Maßnahmen nicht ausreichen, um die europäischen Ziele zur Reduzierung des Ausstosses von Schadstoffen zu erreichen. Geklagt hatte die deutsche Umwelthilfe. Diese forderte nun die Einführung eines Tempo-Limits auf Autobahnen als Sofortmaßnahme.

Die Deutsche Umwelthilfe, gegründet 1975 in Radolfzell am Bodensee, war ursprünglich eine Organisation, die Spenden für Naturschutzprojekte des BUND sammelte. 2008 wurde sie als klageberechtigter Verband anerkannt und änderte fortan ihre Strategie. 2017 setzte die Organisation auf dem Klageweg Diesel-Fahrverbote in Stuttgart durch. Nun errang die Organisation - wenn das Urteil nicht noch in der Revision gekippt wird - einen weiteren juristischen Erfolg bei der Beschränkung der Autofahrer.

Die Strategie, die Politik aus den Parlamenten in die Gerichte zu verlagern, ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist es richtig, wenn Richter die Politiker an den Zielen messen, die sie sich selbst gegeben haben. Andererseits sind weder die Deutsche Umwelthilfe, ein Verein mit gerade einmal 475 Mitgliedern, noch die Richter des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom Volk gewählt. Die Richter mussten auch nur beurteilen, ob die Maßnahmen ausreichen, um die gesteckten Ziele zu erreichen und nicht, ob genügend Geld für Maßnahmen wie die Förderung von Elektroautos im Haushalt vorhanden ist. Diese wurde kurioserweise als Folge des Urteils eines anderen Gerichts zur Verfassungskonformität des Haushalts gestrichen. Ein Tempo-Limit auf Autobahnen würde den Staat immerhin nichts kosten. Es ist fraglich, ob es der Akzeptanz der Demokratie hilft, wenn eine solche unpopuläre Maßnahme durch ein Gerichtsurteil, statt durch eine Regierungsentscheidung umgesetzt wird.

martin.zimmermann@gea.de