Die Nachricht gleicht einer Sensation: Pro-ukrainische Truppen greifen eine russische Ortschaft im Grenzgebiet an. Kämpfe auf russischem Boden, das kommt einer Demütigung für den Kreml gleich. Viele konnten sich da ein schadenfrohes Lachen nicht verkneifen, wenn der scheinbare David den scheinbaren Goliath vorführt. Wer hätte das gedacht, als vor 15 Monaten das zahlenmäßig und materiell übermächtige Russland den kleinen Nachbarn Ukraine überfallen hat?
Aber dürfen wir uns freuen, wenn die Ukraine russische Dörfer angreift, wo wir – völlig zurecht – so entsetzt auf den russischen Angriff reagiert haben? Klares nein – das sollten wir nicht. Ganz klar, die Ukraine hat alles Recht der Welt, sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Waffen gegen den Eindringling zu wehren. Bis zu ihren Landesgrenzen. Aber nicht auf russischem Territorium. Sonst könnte es zu der Situation kommen, dass plötzlich deutsche Panzer auf russischem Boden rollen. Diese Waffen waren aber ausschließlich zur Verteidigung gedacht.
Noch ist vieles unklar, wahrscheinlich waren es gar keine Ukrainer, die das Dorf angegriffen haben, sondern eher ehemalige russische Soldaten, die jetzt aufseiten der Ukraine gegen die russischen Streitkräfte kämpfen. Auch hat es wahrscheinlich keine toten Zivilisten gegeben. Dennoch ist ein Angriff auf fremdes Territorium zu verurteilen. Auch in diesem Fall. Der Angriff auf russischem Staatsgebiet war also eher symbolträchtig. Für Putin dennoch eine Demütigung. Vielleicht ist es aber ein Mosaikstein auf dem Weg, den Kremlchef zu Verhandlungen zu zwingen. Denn eine Lösung am Verhandlungstisch muss immer noch das oberste Ziel sein. Nicht ein militärischer Erfolg.