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Torys mit Rechtsruck bei der Immigration

Parteitag der britischen Konservativen: Tory-Chefin will ICE-Polizei nach amerikanischem Vorbild

Kemi Badenoch, seit November 2024 Chefin der Konservativen, sucht mit markigen Forderungen einen Ausweg aus der Krise ihrer Part
Kemi Badenoch, seit November 2024 Chefin der Konservativen, sucht mit markigen Forderungen einen Ausweg aus der Krise ihrer Partei. FOTO: BYRNE/PA WIRE/DPA
Kemi Badenoch, seit November 2024 Chefin der Konservativen, sucht mit markigen Forderungen einen Ausweg aus der Krise ihrer Partei. FOTO: BYRNE/PA WIRE/DPA

LONDON. Ihre Angriffslust ist legendär. Über Kemi Badenoch sagt man, sie könne einen Streit in einem leeren Raum vom Zaun brechen. Die Vorsitzende der Konservativen Partei enttäuschte in dieser Hinsicht auch zu Beginn des Jahrestreffens der Torys in Manchester nicht. Badenoch verkündete den umstrittenen Schritt, die Europäische Menschenrechtskonvention verlassen zu wollen, um eine verschärfte Anti-Immigrationspolitik verfolgen zu können. Würde sie ihren Plan umsetzen können, wäre Großbritannien neben Russland und Weißrussland das einzige Land in Europa, das nicht Mitglieder der Menschenrechtskonvention ist. »Unser Land gerät an seine Belastungsgrenze«, sagte Badenoch, »weil wir nicht unsere Grenzen kontrollieren.«

Wettstreit mit Nigel Farage

Besonders Artikel 3 und Artikel 8 der Konvention sind der Tory-Chefin ein Dorn im Auge. Artikel 3 verbietet Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und verhindert somit, dass Flüchtlinge zurück in Länder abgeschoben werden können, in denen ihnen dies droht. Artikel 8 schützt das Recht auf Familienleben und hat Straftätern erlaubt, einer Abschiebung zu entgehen. In dieser Hinsicht hatte es einige krasse, in rechten Massenblättern angeprangerte Fälle gegeben wie zum Beispiel den eines kongolesischen Drogenhändlers, der bleiben durfte, weil er einen kranken Sohn hat.

Badenoch kündigte in ihrer Rede auf dem Parteitag die Schaffung einer Abschiebebehörde an, die ähnlich vorgehen werde wie die US-Migrationsbehörde ICE, die unter Präsident Donald Trump eine rabiate Deportationspolitik verfolgt. Die britische »Removals Force« soll mit 1,6 Milliarden Pfund und »weitreichenden neuen Befugnissen« wie etwa dem Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie ausgestattet werden. Sie würde beauftragt, in enger Zusammenarbeit mit der Polizei jährlich 150.000 Personen ohne Aufenthaltsberechtigung abzuschieben. Zugleich will Badenoch das Asylrecht verschärfen. Menschen, die wegen ihrer Religion oder sexuellen Orientierung verfolgt werden, hätten keinen Anspruch auf Asyl mehr.

Der Rechtsruck der Torys ist der Herkunft von Reform UK geschuldet. Die Rechtspopulisten unter der Führung von Nigel Farage bestimmen zur Zeit das politische Wetter in Großbritannien. Die Konservativen, die im letzten Juli nach 14 Jahren an der Macht durch Labour abgelöst wurden, haben seitdem weiter an Zustimmung verloren und liegen zur Zeit nur noch bei 16 Prozent in den Meinungsumfragen. Reform dagegen hat seinen Stimmanteil, der bei den Unterhauswahlen bei 14 Prozent lag, mittlerweile mehr als verdoppeln können. Ein Exodus von konservativen Ex-Ministern und Abgeordneten zu Reform und eine rasantes Wachstum der Basis – zur Zeit hat die Partei 258.010 Mitglieder – illustriert die Popularität der Populisten.

Da kann es nicht erstaunen, dass die Stimmung unter den konservativen Delegierten in Manchester mies ist. Eine einst große Partei mit einer stolzen Tradition ist am Boden zerstört. Ob der Rechtsruck und die versprochene scharfe Anti-Immigrationspolitik den Niedergang aufhalten kann, darf bezweifelt werden. Denn Nigel Farage geht mit seinen Deportationsplänen noch weiter als Badenoch. Er will Hunderttausenden von Einwanderern, die eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, das Bleiberecht aufkündigen und sie abschieben, wenn sie nicht mindestens 60.000 Pfund im Jahr, umgerechnet 69.000 Euro, verdienen. (GEA)