FELLBACH. Was wäre das Kabarett ohne Klischees? Beim 13. Derblecken auf Schwäbisch von Christoph Sonntag in der vollen Alten Kelter am Kappelberg (die Antwort auf den Nockherberg) wird gleich klar, was für Späße den Landtagswahlkampf begleiten werden: Özdemir ist der Kiffer, Hagel der Junge vor der Pubertät.
Kaum eine andere Veranstaltung ist so hochkarätig besetzt, was die Landespolitik betrifft, wie diese: Die Fastenpredigt von Bruder Christopherus alias Sonntag wird als »Das Jüngste Geri(ü)cht« vom SWR-Fernsehen aufgezeichnet und am Montag, 20.15, Uhr ausgestrahlt. Prominent aufgestellt ist auch die Bühne: Unter anderem sorgen Comedian Atze Schröder und Bestseller-Autorin Lisa Federle für Turbulenzen.
Federle untersucht Özdemir
»Ist ein Arzt oder eine Ärztin da?« ruft Doris Reichenauer als Wirtin. Federle ist da! Weil die Politiker in den ersten Reihen so schlecht aussehen würden, solle die Tübinger Corona-Expertin doch mal einige checken, hört sie. Die Untersuchung von Manuel Hagel lehnt Lisa Federle ab: »Ich bin doch keine Kinderärztin.« Und auch bei Cem Özdemir tut sie sich beim Nasentest schwer. Hat Deutschlands berühmteste Notärztin etwa eine Gras-Allergie?
Ob Hagel oder Özdemir – beide schauen amüsiert drein, tun alles, um nicht verärgert zu wirken, auch wenn sie diese Klischees nicht mehr hören können. »Ich bin Nichtraucher«, sagt der grüne Kandidat fürs Ministerpräsidentenamt nach der Show. Bestimmt hat er sich schon oft geärgert über sein gepostetes Foto mit der Cannabis-Pflanze.
Und Manuel Hagel überlegt sich womöglich, ob es noch was gibt außer der Brille, was ihn älter aussehen lässt. Laut Christoph Sonntag ist so viel Jugendlichkeit ein klarer Vorteil. Hagels Motto laute »Vibrator statt Rollator«. Dass es der 36-jährige CDU-Landesvorsitzende geschafft hat, ins Puppenkabinett des Fastenspiels aufgenommen zu werden, ehrt ihn, obwohl er eines rasch durchschaut: »An mir wurde gespart. Meine Puppe war früher mal Herr Westerwelle – aber egal, Recycling hat auch was.«
Merz als Western-Geier
Ob das Spiel der Kleinkunst vor der Fastenpredigt oder der Gaisburger Marsch des langjährigen Sterne-Kochs Michael Oettinger – alles ist diesmal im Vergleich zu den Vorjahren eine deutliche Verbesserung. Auch die Entscheidung von Christoph Sonntag, für den Fassanstich eine Doppelspitze zu nominieren, überzeugt. Hagel und Özdemir harmonieren am Bier mit fünf Schlägen. Wäre das auch eine Lösung für die Villa Reitzenstein? Hinterher lobt Özdemir, der den Zapfhahn hingehalten hat, dass Hagel mit dem Hammer ihn nicht getroffen habe.
»In der Politik haben wir beide verschiedene Konzepte, um die wir ringen«, erklärt der Noch-Minister aus Berlin, »aber menschlich gehen wir fair miteinander um.« Fastenprediger Christopherus sagt, im Kampf gegen die Klimaerwärmung könne sich vielleicht Hagels Ansatz durchsetzen: »Wenn die hohen Temperaturen nach Deutschland kommen wollen, werden sie an der Grenze nicht reingelassen und abgewiesen.« Kabarettist Thomas Schreckenberger denkt bei dem meist finster dreinblickenden Friedrich Merz an »den Geier im Western, der auf dem Kaktus sitzt«. Und Gastgeber Sonntag rechnet damit, dass die CDU nun Pinocchio und Münchhausen zu Ehrenmitgliedern ernennt: »Vor der Wahl wurde in Sachen Schulden was ganz anderes gesagt.« Nächstes Jahr werde der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nicht mehr dabei sein, ist zu hören, »wir laden nur die ein, die im Landtag sitzen«. Der Markt regle dies »von selbst«.
Wie beliebt der scheidende Ministerpräsident Kretschmann ist, zeigt sich am Ende, da Sonntag sich bei ihm für seine Arbeit fürs Land bedankt. Es gibt den wohl stärksten Beifall des Tages für ihn. Das Publikum klatscht ebenfalls laut, da der Kabarettist, der ganz bewusst die AfD nicht in die Alte Kelter eingeladen hat, dazu aufruft, »niemals die Alternative zu wählen, die keine ist«. Auch wenn man sich über die etablierten Parteien oft ärgere, sei es wichtig, »nicht immer nur zu jammern«, sagt Sonntag, »sondern alles mit Begeisterung dafür tun, dass Freiheit und Demokratie erhalten bleiben«. (GEA)