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Tübinger Forscher: Wie rechte Parteien funktionieren

Extremismusforscher Rolf Frankenberger über Merkmale und Netzwerke europäischer Rechter.

Auch die AfD ist für Rolf Frankenberger ein Vertreter der extremen Rechten in Europa.  FOTO: WILLNOW/DPA
Auch die AfD ist für Rolf Frankenberger ein Vertreter der extremen Rechten in Europa. Foto: dpa
Auch die AfD ist für Rolf Frankenberger ein Vertreter der extremen Rechten in Europa.
Foto: dpa

TÜBINGEN. Jedes Jahr findet im bayrischen Wunsiedel ein Gedenkmarsch für den verstorbenen Nationalsozialisten Rudolf Heß statt. Und die Verbrechen der NSU sind bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt. Dies sind Beispiele dafür, dass die extremen Rechten und deren Gedankengut längst bei uns in Europa angekommen sind. Einer, der diese Szene seit Jahren beobachtet, ist Rolf Frankenberger. Er ist wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für Rechtsextremismusforschung (IRex) an der Universität Tübingen. Im Rahmen der Sommeruni gibt er Einblicke in seine Forschungsarbeit.

Der promovierte Politikwissenschaftler Rolf Frankenberger forscht in Tübingen zu Rechtsextremismus. FOTO: PRIVAT
Der promovierte Politikwissenschaftler Rolf Frankenberger forscht in Tübingen zu Rechtsextremismus. Foto: Privat
Der promovierte Politikwissenschaftler Rolf Frankenberger forscht in Tübingen zu Rechtsextremismus.
Foto: Privat

- Was unterscheidet Konservatismus von Rechtsextremismus?

Der Konservatismus legt den Fokus auf das Bewahren und Erhalten. Wenn es einen Wandel gibt, dann verläuft dieser schrittweise und orientiert sich an Traditionen. Weitere wichtige Eckpfeiler in dieser politischen Strömung sind nach Frankenberger die Familie, Recht und Ordnung sowie ein starker Staat. Rechtsextremismus wiederum ist weit rechts vom Konservativismus verortet und zeichnet sich durch eine rassistische, völkisch-nationalistische und autoritäre Ideologie aus. Gesellschaftliche und soziale Probleme werden ethnischen und kulturellen Minderheiten zugeschrieben. Dies führt zu deren Diskriminierung. Dieser Ideologie bedienen sich die extremen Rechten. Zudem ist die Homogenität von Völkern und Nationen ein ganz wichtiger Bestandteil. »In ihrer Vorstellung sind viele Menschen, die aktuell in ihrem Land leben, aufgrund falscher Abstammung nicht Teil unserer Nation«, so der Forscher. Zudem lehnen sie den Wertepluralismus einer liberalen Demokratie ab. »Menschenrechte sind für sie störend, da sie das Individuum stärken«, so Frankenberger. Im Weltbild der extremen Rechten ist aber das Kollektiv, also das Volk, die entscheidende Kategorie. Denn jeder Einzelne soll sich zum Wohl des Volkes unterordnen.

- Gibt es auch Unterschiede zwischen extremen Rechten in Europa?

Ja, die gibt es. Frankenberger macht die Unterscheidung vor allem im Vergleich zum Rassemblement National (RN) in Frankreich und der AfD in Deutschland klar, die er beide zu Parteien der extremen Rechten zählt. In Frankreich feiert der RN große Erfolge. »Sie will Volkspartei werden und hat das teilweise schon erreicht«, erklärt der Forscher. Durch eine deutlich gemäßigte Außendarstellung sollen auch Stimmen aus konservativen Kreisen gewonnen werden. Außerdem verfolgt der RN eine sozialdemokratisch-nationale Sozialpolitik. Zwar gibt es Sozialleistungen nur für Franzosen, diese können aber auch im Ausland geboren worden sein. In Deutschland zeichnet sich die Politik der AfD durch einen eurokritischen und nationalen Kurs aus. Ein großer Unterschied zum RN besteht aber in der Sprache. »Im Wording ist die AfD deutlich radikaler als der RN«, so Frankenberger. Sie stellen sich in der Öffentlichkeit so dar, wie der RN früher. Auch steht die AfD Russland eher freundlich gegenüber. Die Frage des Umgangs mit Russland spaltet die Rechten in Europa, so Frankenberger.

- Was sind die Ursachen für den Erfolg rechtsgerichteter Parteien?

Neue Parteien entstehen nach Frankenberger immer dann, wenn Menschen soziale Sicherheiten beziehungsweise Statusverluste zu erleiden haben. Dadurch erleben sie eine Marginalisierung durch die Gesellschaft und werden empfänglich für Kritik, aber auch Radikalisierung. Sie fühlen sich in der Gesellschaft nicht repräsentiert und neue Parteien stoßen dann in diese Repräsentationslücken hinein. »Ein gutes Beispiel dafür waren in den 1980er-Jahren die Grünen. Mit ihren Themen Natur- und Umweltschutz konnten sie die Massen mobilisieren«, erläutert Rolf Frankenberger. Mit der AfD verhält es sich nun ganz ähnlich, so der Forscher. Sie vertritt nationale Interessen. »Für viele Menschen hat dies durch die europäische Integration an Bedeutung verloren«, erläutert der Experte. Als Beispiele können hier der Euro als einheitliche Währung und extensive Grenzkontrollen angeführt werden. Und alle diese Menschen, denen das wichtig ist, holt die AfD mit ihrem Kurs ab, so der Experte.

- Wie funktionieren die Netzwerke der Rechten?

Es gibt viele Möglichkeiten, wie die Rechten ihre Ansichten verbreiten und so Netzwerke schaffen. Besonders in Deutschland gedeihen rechte Netzwerke und Organisationen wie »Ein Prozent e.V.« oder die »Identitäre Bewegung Deutschland« besonders gut, sagt der Forscher. Auch die Musik spielt dabei eine zentrale Rolle. Fast jede Woche gibt es in Deutschland Auftritte von rechtsextremen Bands. »Durch Musik sollen vor allem junge Leute vereinnahmt werden«, so Frankenberger. Auch Kampfsportevents werden für solche Zwecke genutzt. Aber besonders stark bespielen die Rechten die sozialen Netzwerke. »Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Vernetzung«, so der Forscher, und rückt dabei auch KI ins Zentrum. »Sie bietet propagandistische Mittel der Beeinflussung«, erläutert der Experte. So eignet sie sich für Deepfakes, also manipulierte Bilder. So lassen sich gut Stereotype produzieren. Zum Beispiel die Erzählung des einen Strippenziehers, der den vermeintlichen Ansturm auf die »Festung Europa« koordiniert.

- Erleben wir gerade einen Rechtsruck in Europa?

Ja, das belegen die Zahlen von Rolf Frankenberger, auch wenn viele nach der Europawahl deutlich Schlimmeres befürchtet haben. »Es gibt einen Bedeutungsgewinn extrem rechter Parteien im EU-Parlament im Vergleich zum Vorherigen«, sagt der Forscher. Seit 2024 gibt es auch drei statt zwei rechter Fraktionen im Parlament. Zudem ist das Phänomen der rechtsgerichteten Parteien ein paneuropäisches und nicht das Problem einzelner Länder. »In fast allen europäischen Staaten stehen die extremen Rechten zwischen 5 und 25 Prozent«, erläutert der Forscher. Dadurch haben diese Parteien auch einen nationalen politischen Einfluss, indem sie auf die heimischen Regierungen Druck ausüben können.

- In welcher Form kann man dem rechten Gedankengut entgegenwirken?

Rolf Frankenberger plädiert dabei für noch mehr politische Bildung. »Es braucht auch mehr Wissen über politische Prozesse«, ist sich der Forscher der Universität Tübingen sicher. Auch der Einsatz für Demokratie und Menschenrechte, also zivilgesellschaftliches Engagement, ist für Frankenberger essenziell. Doch vor allem ist ihm wichtig, den Gegenüber als Menschen weiterhin ernst zu nehmen. »Viele Leute sind noch zugänglich. Wir müssen das Miteinander stärker pflegen«, so der Appell von Frankenberger. (GEA)