Kuhn betonte, er wolle die Verantwortung für den Projektpartner Stadt Stuttgart beim Milliardenvorhaben der Bahn klar wahrnehmen. »Ich will mich in acht Jahren nicht fragen lassen: 'Haben Sie das nicht gewusst, hat Sie das nicht interessiert?'«
Beim informellen Treffen des S-21-Lenkungskreises an diesem Montag stehe für ihn die Vertrauenskrise zwischen der Bauherrin Bahn und den anderen Projektpartnern im Vordergrund. Seine Frage laute: »Wie kann die Bahn im Lenkungskreis im Oktober auf Nachfrage die S-21-Kosten auf 4,3 Milliarden Euro beziffern, um dann nur gut sechs Wochen später Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro und Risiken von 1,2 Milliarden Euro zu verkünden?« Das löse Misstrauen aus. Die Bahn habe wie alle Projektpartner eine Förderpflicht. »Dazu gehören eine klare Sprache und Offenheit.«
Die Bahn dürfe sich bei Problemen nicht mehr hinter Wortschöpfungen wie »behördlicher Schwergang« verstecken, ohne Ross und Reiter zu nennen. »Ich weise für meine Stadtverwaltung den Begriff zurück«, sagte der erste grüne Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt. Die Bahn müsse die auf 5,6 Milliarden Euro gestiegenen Kosten begründen und belegen. Dazu sei der Konzern derzeit offenbar nicht in der Lage. »Vieles deutet darauf hin, dass dort gerade die Hütte brennt.«
Auch der Aufsichtsrat sei nicht informiert. Das Gremium kommt voraussichtlich im Februar zur nächsten regulären Sitzung zusammen, um über die Übernahme der 1,1 Milliarden Euro Zusatzkosten durch die Bahn zu entscheiden. Eines müssten die Kontrolleure aber wissen: Weder vom Land noch von der Stadt Stuttgart oder vom Landesflughafen sei mit weiteren Mitteln für S 21 zu rechnen. »Die Stadt hat genug andere große Aufgaben zu bewältigen - wie die Kitas auszubauen und mehr bezahlbaren Wohnungsbau zu schaffen.«
Anders als Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält Kuhn eine Debatte über Alternativen zu S 21 für unvermeidlich. »Wenn der Aufsichtsrat rotes Licht gibt, sollten wir nicht sprachlos dastehen, denn die Bürger wollen wissen, wie es dann weitergeht.« Ein Baustopp werde nicht gemütlich. Dann müsse rasch entschieden werden, wie in einem ersten Schritt die wegen der Aussicht auf S 21 jahrelang vernachlässigten Gleise modernisiert werden. Danach müsse geklärt werden, welcher Bahnhof in Stuttgart entstehen soll.
Unabhängig von der Zukunft von S 21 müsse eine weitere Belastung des S-Bahn-Verkehrs in Stuttgart vermieden werden. »Wenn die S-Bahn in Stuttgart nicht mehr zuverlässig fährt, können wir alle anderen innovativen Verkehrsprojekte in der Region abschreiben.« Vor allem der Plan, die Zahl der in den feinstaubgeplagten Talkessel fahrenden Autos um ein Fünftel zu reduzieren, sei dann kaum realisierbar.
Kuhn bat die Bahn erneut, in der unklaren Lage keine unumkehrbaren Fakten zu schaffen: »Das Fällen der Bäume im Rosensteinpark ohne Klarheit über den Weiterbau von Stuttgart 21 wäre verantwortungslos.« (dpa)
