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Strafmündigkeit muss auf den Prüfstand

Die Zahl der Tatverdächtigen unter 14 Jahren ist in den letzten 10 Jahren drastisch angestiegen. Es ist an der Zeit, die Altersgrenze von 14 Jahren zu überprüfen.

Marion Gentges (CDU), Justizministerin von Baden-Württemberg, will die Strafmündigkeit von 14 Jahren absenken.
Marion Gentges (CDU), Justizministerin von Baden-Württemberg, will die Strafmündigkeit von 14 Jahren absenken. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Marion Gentges (CDU), Justizministerin von Baden-Württemberg, will die Strafmündigkeit von 14 Jahren absenken.
Foto: Bernd Weißbrod/dpa

REUTLINGEN. In Stuttgart hat ein 13-Jähriger nach einem Streit einen 12-Jährigen gegen eine fahrende Straßenbahn gestoßen. Das Kind starb später an den Verletzungen. Das sind schlimme Einzelfälle, die unter die Haut gehen und mit denen man Wahlkampf machen kann. Sie eignen sich aber nicht, um damit die Absenkung der Strafmündigkeit von derzeit 14 Jahren zu begründen. Dafür taugt eher ein Blick auf die Kriminalstatik. Sie zeigt, dass sich in Deutschland etwas verschoben hat. Die Zahl der Tatverdächtigen unter 14 Jahren ist in den vergangenen zehn Jahren überdurchschnittlich stark gestiegen. Insofern hat Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) nicht nur Wahlkampf betrieben, sondern auch eine wichtige Debatte angestoßen.

Die Festlegung der Strafmündigkeit auf 14 Jahre stammt aus dem Jahr 1923. Sie wurde seither nicht mehr angetastet. Begründet wird die Altersgrenze damit, dass man nur jemanden bestrafen könne, der wegen seiner sittlichen Reife verstehen könne, was er getan hat und deshalb auch zur Verantwortung gezogen werden kann. Sittliche Reife und geistige Entwicklung, das sind Begriffe, die immer wieder neu justiert werden müssen. Beim Wahlrecht hat man einen ähnlichen Prozess bereits unternommen. Das Wahlalter wurde bei der Europa-, bei der Landtags- und bei der Kommunalwahl von 18 auf 16 Jahre abgesenkt. Nun ist es auch an der Zeit, beim Strafrecht eine Überprüfung der Altersgrenze anzugehen. Es gibt keinen Grund, warum man den jungen Menschen beim Urnengang früher mehr Verantwortung und sittliche Reife zubilligt und bei der Strafmündigkeit auf den alten Festlegungen beharrt.

Dennoch sollten sich die Justizminister davor hüten, die Altersgrenze bei Straftaten nur deshalb zu ändern, weil sie bereits seit mehr als hundert Jahren Gültigkeit besitzt. Der lange Bestand ist nicht automatisch ein Zeichen dafür, dass sie überholt oder aus der Zeit gefallen ist. Das sollte vielmehr ein Ansporn sein, eine neue Festlegung gut abzuwägen und zu begründen, damit auch diese lang Bestand hat.

davor.cvrlje@gea.de