Der Messerangriff von Solingen hat die Politik ruckartig aus der Sommerpause gerissen. Der Bundespräsident zeigt sich bestürzt, Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger warnt vor Volksfesten, die zu »Hochsicherheitszellen« werden und Friedrich Merz fordert markig einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien: »Es reicht«.
Die Wortmeldungen sollen Handlungsstärke beweisen und den Bürgern zeigen, dass die Politik ihre Sorgen verstanden hat. In Wahrheit kaschiert diese rhetorische Aufrüstung oft nur, dass in den Tagen nach dem Anschlag vor allem eines herrscht – Ratlosigkeit. Ersatzdebatten aber werden dem Wunsch der Bürger nach Sicherheit nicht gerecht.
Zu jeder ehrlichen Debatte gehört zunächst ein Blick auf die Fakten. Deutschland hat ein Problem mit kriminellen Ausländern, das lässt sich kaum bestreiten. Ausländer machen etwa 15 Prozent der Wohnbevölkerung in Deutschland aus, aber ungefähr 34 Prozent der erfassten Tatverdächtigen. Straftaten gegen das Ausländergesetz, die Deutsche nicht begehen können, sind hier schon herausgenommen. Bei Mord, Vergewaltigung, Raub, schwerer Körperverletzung sind die Unterschiede noch deutlicher.
Gleichzeitig warnen Experten schon länger davor, dass der Westen Europas immer stärker ins Visier islamischer Terroristen gerate. 2023 gab es sieben durchgeführte dschihadistische Anschläge und Dutzende vereitelte Pläne, wie der Terrorismusforscher Peter Neumann gezählt hat. Im Nachhinein ist man noch mehr erleichtert, dass EM und Olympia ohne Anschlag stattfinden konnten.
Vorschläge, etwa für ein verschärftes Messerverbot, werden dieser ernsten Lage nicht gerecht. Sowohl in Solingen wie auch zuvor in Mannheim fanden die Taten an öffentlichen Veranstaltungen statt. Da ist das Tragen von Waffen schon heute verboten. Zudem hat der Islamische Staat schon oft genug bewiesen, dass ihm die Klingenlänge des Messers herzlich egal ist, mit dem er willkürlich Menschen tötet.
Und was Merz Vorstoß für einen Aufnahmestopp für Afghanen und Syrer angeht: Wenn der CDU-Chef Artikel 16a des Grundgesetzes außer Kraft setzen will, dann soll er es bitte schön so deutlich sagen. Solange aber gilt: »Politisch Verfolgte genießen Asylrecht«. Dieser Satz macht keine Ausnahme bei Afghanen und Syrern.
Statt die Bürger mit immer neuen Forderungen kirre zu machen, sollten Politik und Behörden all die Gesetze, die es längst gibt, konsequent anwenden. Dass Flüchtlinge, die an den EU-Außengrenzen ankommen, dort registriert und ersten Sicherheitschecks unterzogen werden, ist geltende Rechtslage. Wahr ist aber auch, dass noch immer zahllose Migranten weiter nach Deutschland reisen, von denen niemand weiß, wer sie sind. Abschiebungen müssen konsequent durchgeführt werden. Wenn sich Herkunftsländer weigern, ihre Staatsbürger zurückzunehmen, dann könnte womöglich ein Hinweis auf die Millionen Euro an Entwicklungshilfe, die Deutschland vielen dieser Länder überweist, ein Umdenken beschleunigen.
Schließlich brauchen die deutschen Behörden die nötige Ausstattung und Befugnisse. Dass die Abschiebung des tatverdächtigen Syrers in Solingen daran scheiterte, dass er in seiner Asylunterkunft nicht auffindbar war, kann man im Grunde niemanden mehr erklären.
Es stimmt schon, es gibt bei Migration und Flucht keine einfachen Lösungen. Dennoch hat Deutschland die Wahl: Entweder wir sagen, wir schaffen das. Dann müssen wir viel mehr Geld und noch mehr Anstrengung in die Integration stecken. Oder wir sagen, wir schaffen das nicht. Dann sollte die Bundesregierung dafür sorgen, dass weniger Menschen ins Land kommen. Wenn demokratische Politik jetzt nicht beweist, dass sie handlungsfähig ist, dann gewinnen die Gegner der Demokratie.