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Aktuell Agrar

So geht es den Bauern finanziell

Sind die Proteste der Landwirte berechtigt? Ein Blick auf die Einkommens-Situation zeigt eine breite Spannbreite

Landwirte demonstrieren vor der Parteizentrale der Grünen in Düsseldorf gegen die Sparpläne der Bundesregierung.  FOTO: REICHWEI
Landwirte demonstrieren vor der Parteizentrale der Grünen in Düsseldorf gegen die Sparpläne der Bundesregierung. FOTO: REICHWEIN/DPA
Landwirte demonstrieren vor der Parteizentrale der Grünen in Düsseldorf gegen die Sparpläne der Bundesregierung. FOTO: REICHWEIN/DPA

REUTLINGEN/STUTTGART. Sind die Klagen der Landwirte in Deutschland berechtigt? Wirtschaftlich stand die Branche zuletzt gut da. Doch die Rahmenbedingungen für die Betriebe bleiben herausfordernd und es gibt sehr große Unterschiede beim Gewinn, je nachdem, ob man Vieh hat, Wein oder Gemüse anbaut oder ob man das Land pachten muss.

- Warum protestieren die Bauern?

In ganz Deutschland protestieren Landwirte, fahren mit ihren Traktoren zum Landtag oder bringen den Verkehr zum Erliegen. Der Streit dreht sich um zwei Punkte: Die Befreiung von der Kfz-Steuer für Land- und Forstwirtschaft sowie um den Rabatt für Agrar-Diesel. Kurz vor der Protestwoche knickte die Regierung ein und kippte die geplante Streichung der Steuerbefreiung bei der Kfz-Steuer. Das macht im Jahr 480 Millionen Euro aus. Der Rabatt für Agrardiesel sollte aber bis 2026 auslaufen. Das teilweise Entgegenkommen der Regierung reicht den Landwirten nicht. Bauernpräsident Joachim Rukwied warnt: Den Bauern werde durch die Kürzung die Zukunftsfähigkeit genommen, die Ernährungssicherheit werde gefährdet. Die Bauern seien schon stark von anderen Kürzungen betroffen. Als Beispiele nannte er die Streichung von einigen Hundert Millionen Euro bei der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz oder den Wegfall von 73 Millionen Euro bei der Unterstützung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Laut Bundesregierung bedeutet der Wegfall der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel im Schnitt Mehrkosten von etwa 3.000 Euro im Jahr pro Betrieb.

- Wie ist die wirtschaftliche Lage der Landwirte in Deutschland?

Die generelle Ertragslage der Landwirtschaft hatte sich nach Branchenangaben nach einer längeren Durststrecke zuletzt weiter verbessert. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 stieg der durchschnittliche Gewinn der Betriebe auf das Rekordniveau von 115.400 Euro – ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Grund ist ein starker Anstieg der Nahrungs- und Futtermittelpreise wegen des Ukraine-Kriegs. Doch von dem Gewinn sind noch Investitionen zu finanzieren wie beispielsweise der Bau eines neuen Stalls oder der Kauf neuer Maschinen. Zudem ist der Gewinn vom Wetter abhängig und schwankt daher erheblich. Weiterhin verweisen die Bauern darauf, dass viele Betriebe in den vergangenen Jahren nicht kostendeckend gearbeitet haben. Der aktuelle Gewinn sei erforderlich, um die unzureichende Einnahmen der vergangenen Jahre auszugleichen, lautet ihr Argument. Auch müssten, anders als beim Nettolohn des Arbeitnehmers, die Beiträge zur Krankenversicherung, Altersversorgung und die Mitversorgung des Hofübergebers daraus finanziert werden.

- Was sind die Besonderheiten der Betriebe im Südwesten?

In Baden-Württemberg gibt es 38.000 landwirtschaftliche Betriebe. Doch nur 35 Prozent der Landwirte sind das im Hauptberuf. 64 Prozent sehen in der Landwirtschaft einen Nebenverdienst. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe nimmt immer mehr ab. 1999 gab es 75.810 Höfe, fast doppelt so viel wie heute. Viele Landwirte profitieren von der Explosion der Bodenpreise. Doch das gilt nur für die Bauern, denen der Grund selbst gehört. In Baden-Württemberg werden 60 Prozent der Flächen verpachtet. Und wer keine oder nur wenig eigene Flächen besitzt, der hat Mühe, die Kosten für die Pacht aus dem laufenden Betrieb aufzubringen. Deshalb sind die Einkommensverhältnisse der Bauern im Südwesten längst nicht so gut wie bundesweit. Laut Bauernpräsident Rukwied lag im Wirtschaftsjahr 2022/23 der durchschnittliche Gewinn im Südwesten bei 77.013 Euro. Das ist weit weg von den 115.400 Euro im Bundesvergleich. Zudem gibt es große Unterschiede, ob man Tiere hält oder einen Ackerbetrieb führt. Bei Ackerbetrieben lag der Ertrag bei 59.136 Euro, so das Statistische Landesamt. Wer Wein an-baut, kam nur auf 37.923 Euro. Freuen konnten sich hingegen die Milchviehbetriebe. Dort wurde im Schnitt 113.910 Euro erwirtschaftet. Doch auch hier braucht es Investitionssicherheit. Denn wer einen neuen, modernen Stall bauen will, muss erst mal einen Millionen-Kredit aufnehmen und es braucht in der Regel Jahre, um diesen abzuzahlen.

- Wie bewerten regionale Vertreter der Landwirte den Protest?

Der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Reutlingen, Gebhard Aierstock, hat dazu im Gespräch mit dem GEA gesagt, dass die zuletzt beschlossenen Sparmaßnahmen der Bundesregierung eigentlich nur »das Fass zum Überlaufen« gebracht hätten. Es seien nicht nur die Steuerbefreiung für die land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeuge und der vergünstigte Agrardiesel, die dabei im Fokus der Kritik stünden. »Das Fass war schon vorher zu voll«, so Aierstock. Die beiden Sparmaßnahmen, die jetzt teilweise wieder zurückgenommen wurden, seien nur ein kleiner Teil einer verfehlten Agrarpolitik. Für diese sei die Ampel nicht allein verantwortlich.

Dennoch sei die jetzt vom Regierungs-Kabinett beschlossene, schrittweise Streichung der Agrardiesel-Subventionen ein harter finanzieller Schlag, gerade für die Bauern in der Region Neckar-Alb. »Das Durchschnittseinkommen der Bauern in Baden-Württemberg ist im bundesweiten Vergleich das niedrigste. Durch die Entscheidung zum Agrardiesel wird den hiesigen Bauern quasi ein Monatsgehalt gestrichen«, rechnete Aierstock vor. Bei einem Durchschnittseinkommen der Bauern im Land von etwas mehr als 77.000 Euro im Jahr würde allein der Wegfall des vergünstigten Agrardiesels eine Einbuße von 1.700 bis etwa 2.900 Euro bedeuten.

Die Art und Weise, wie die Bundes-regierung ihre Sparpläne versucht habe durchzusetzen, sei zudem kritikwürdig. »Das hat die Ampel uns Bauern regelrecht über Nacht vor den Latz geknallt.« Die Bauern hätten im Übrigen schon seit Längerem das Gefühl, im Agrarbereich werde eine immer größere Bürokratie und ein aufgeblähter Verwaltungsapparat aufgebaut, »allerdings ohne Fachkompetenz«, so Gebhard Aierstock. (GEA)