REUTLINGEN. Die Diskussion um den Kanzlerkandidaten der SPD ist vorerst vorbei. Nachdem er hinter den Kulissen intensiv von Partei- und Fraktionsspitze bearbeitet wurde, erklärt Boris Pistorius, dass er für das Amt nicht zur Verfügung steht. Damit beendet der bei Wählern und Parteibasis beliebte Verteidigungsminister eine Debatte, die den ohnehin in Umfragen weit abgeschlagenen Kanzler Olaf Scholz weiter beschädigt hätte. Pistorius passt nicht zur Strategie, mit der sich die SPD im kommenden Wahlkampf vom Kanzlerkandidaten der CDU, Friedrich Merz, abgrenzen will.
Scholz kann im Gegensatz zu Pistorius auf seine große Regierungserfahrung Kanzler, Finanzminister, Arbeitsminister und Erster Bürgermeister Hamburgs verweisen. Im wichtigen Wahlkampfthema Wirtschaft kann er Merz deutlich besser Paroli bieten, als Sicherheitspolitiker Pistorius. Doch vor allem hat er mit seiner unterstützenden und doch mäßigenden Haltung gegenüber der Ukraine ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem er sich von der CDU abgrenzen und beim BSW Wähler einsammeln kann. Pistorius und sein Gerede von »Kriegstüchtigkeit« hätte bei Bürgern, die vor allem von der Angst vor einer Eskalation des Krieges umgetrieben werden, wohl keine besonders guten Karten.
Pistorius für nächste Wahl aufbauen
An einen Wahlsieg glaubt in der SPD, vielleicht abgesehen von Scholz selbst, wohl niemand. Allerdings trauen die Genossen dem Wahlkämpfer Scholz wohl zu, den Rückstand auf die CDU noch ein wenig zu schmälern. In einer sich andeutenden Großen Koalition ließe sich so etwas mehr sozialdemokratische Politik durchsetzen. Womöglich mit einem Verteidigungsminister Pistorius, der so weiter an Profil gewinnen könnte - für eine Kandidatur für die nächste Wahl. Wäre ja schade drum, einen so beliebten Politiker jetzt schon zu verheizen, mit der Bürde des schmachvollen Scheiterns der Ampel-Regierung.