BERLIN. Es ist die schwierigste Frage, vor der der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) steht. Sollen deutsche Soldaten in der Ukraine den Frieden absichern, wenn dort die Waffen schweigen? Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter sagt Ja. Deutschland müsse in der Lage sein, »robuste Truppen in der Ukraine zu stellen und sich dem Vorschlag von Frankreich und UK anzuschließen«, sagte er unserer Redaktion.
Frankreich und Großbritannien wollen unter den Europäern eine Koalition der Willigen formieren, die Truppen für eine Friedensmission mobilisiert. Beide Länder schicken zunächst ihre Generalstabschefs nach Kiew, um einen möglichen Einsatz vorzubereiten.
»Deutschland muss in der Lage sein, robuste Truppen in der Ukraine zu stellen«
Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wollte sich dem Vorpreschen der beiden engen Verbündeten nicht an-schließen. Am Donnerstag hatte er bei einem Treffen europäischer Staats- und Regierungschefs in Paris erklärt, dass es überhaupt nicht klar sei, ob und in welcher Form es eine solche Friedenstruppe geben werde. »Insofern konzentrieren wir uns auf das, was jetzt naheliegend ist.« Was Scholz nicht mehr entscheiden will, wird auf Merz zukommen. US-Präsident Donald Trump hat ausgeschlossen, dass ein Frieden zwischen der Ukraine und Russland durch amerikanische Soldaten gedeckt werde. Die Europäer werden militärisch gefordert sein wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Aus Sicht des CDU-Abgeordneten Kiesewetter darf sich die Bundesrepublik nicht wegducken. »Deutschland muss als wirtschaftsstärkstes Land Europas einen erheblichen Beitrag bei der Koalition der Willigen leisten«, betonte er. Gleichzeitig verlangte er von Scholz, sicherheitspolitisch nicht einfach das Ende seiner Amtszeit abzuwarten. »Zumindest könnte der aktuelle Kanzler noch die Ausbildung an Taurus beauftragen. Liefern kann dann ja die neue Regierung unter Merz«, so der frühere Bundeswehr-Oberst.
Die Dimensionen einer Friedenstruppe dürfte die bisherigen Auslandseinsätze der Bundeswehr in Umfang und Gefährlichkeit deutlich übersteigen. Erste Schätzungen nennen 50.000 Soldaten, die eine Staatenkoalition aufbringen müsste. Wegen der üblichen Rotation nach mehreren Monaten ist dafür der dreifache Personalansatz nötig. Das deutsche Kontingent wüchse also schnell auf mehrere Tausend Mann an. Für die Streitkräfte ist das wiederum im derzeitigen Zustand nicht zu leisten. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat Mühe, 5.000 Soldaten für die Brigade in Litauen zu finden. Kriegsgerät für schwere Verbände ist auch keines übrig.
»Deutschland muss einen erheblichen Beitrag bei der Koalition der Willigen leisten«
Trotz des Engpasses wird Merz auch von den Grünen gedrängt, der Ukraine stärker als bisher zur Seite zu stehen. »Das muss sich deutlich vom ehemaligen Bundeskanzler Scholz unterscheiden, der immer zu spät und zu wenig gehandelt hat«, sagte der Außenpolitiker Toni Hofreiter unserer Redaktion. Die Ukraine könne gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin nur bestehen, »wenn das angegriffene Land aus einer Position der Stärke agieren kann«. Sicherheitsgarantien für Kiew müssten materiell hinterlegt sein. »Das muss die neue Bundesregierung schnellstmöglich sicherstellen«, verlangte der Abgeordnete.
Putin ist bislang nicht bereit, europäische Friedenstruppen zu akzeptieren, die in der Mehrzahl Nato-Truppen wären. Die Ukraine fürchtet hingegen, dass Russland ohne eine Schutztruppe einen weiteren Anlauf starten würde, das Land komplett einzunehmen. (GEA)