REUTLINGEN. Bundeskanzler Olaf Scholz wurde Rassismus vorgeworfen, nachdem er den Berliner Kultursenator Joe Chialo - dessen Vater ein tansanischer Diplomat war - bei einer privaten Feier als »Hofnarren« bezeichnet hatte. Der Ausdruck wurde allerdings aus dem Zusammenhang gerissen. Der Ausdruck fiel im Zusammenhang mit dem Merz-Vorstoß für das Zustrombegrenzungsgesetz. Scholz warf der CDU Fremdenfeindlichkeit vor. Chialo intervenierte, er sei kein »alter weißer Mann«, woraufhin Scholz meinte, jede Partei habe »nun mal ihren Hofnarren«.
Ein Hofnarr, war im Mittelalter jemand, der den Mächtigen den Spiegel vorhalten durfte, ohne dafür Konsequenzen fürchten zu müssen. Das nannte man Narrenfreiheit. Scholz hat in Bezug auf diese Narrenfreiheit etwas missverstanden. Sie war nämlich ein Privileg des machtlosen Hofnarren gegenüber dem mächtigen Herrscher und kein Privileg des herrschenden Bundeskanzlers gegenüber einem eher unbekannten Berliner Landespolitiker.
Einen Rassismusvorwurf aus der Unterhaltung zwischen Scholz und Chialo konstruieren zu wollen ist absurd. Der Vorfall zeigt aber, dass Scholz, der lange den abwägenden und wortkargen Staatsmann spielte, der über jeden Ampel-Streit erhaben schien, zunehmend die Nerven verliert. Es ist nicht der erste verbale Ausrutscher seit dem Ampel-Aus. Da war der Teleprompter-Wutausbruch gegen Christian Lindner, da war der Tünkram-Vorwurf gegen Friedrich Merz. Scholz zeigt zunehmend die Rhetorik eines Herrschers aus dem letzten Akt eines Shakespeare-Dramas, der spürt, wie seine Macht schwindet.