REUTLINGEN. Franziskus war ein Papst der großen Gesten. Mit einer solchen, einem letzten Ostersegen, verabschiedete er sich. Dass er sich auf dem Sterbebett noch einmal aufraffte, war typisch für ihn. Er wusch Häftlingen die Füße, ging zu den Flüchtlingen nach Lampedusa und öffnete eine Heilige Pforte im Gefängnis. Der erste nicht-europäische Pontifex rückte die Armut in den Fokus und lebte auch selbst Bescheidenheit vor. So blieb er nach seiner Papstwahl im Gästehaus wohnen, statt in den Palast zu ziehen. Das war auch für Gläubige ohne theologischen Hintergrund verständlich. Es unterschied ihn von seinem Vorgänger, der den Professorenduktus nie ganz ablegen konnte.
Die mitfühlende Art, mit der Franziskus den Blick auf die Ausgegrenzten der globalen Gesellschaft richtete, erweckte Hoffnungen bei deutschen Reformkatholiken, die der Argentinier nicht erfüllen konnte oder wollte. Trotz kleiner Fortschritte – etwa dass Frauen taufen dürfen – hätten sich viele deutsche Katholiken mehr von ihm erhofft. Als die deutschen Katholiken sich in den Erklärungen zum Synodalen Weg für weitergehende Reformen aussprachen, kam schnell die Abfuhr aus Rom. Deutschland habe bereits eine gute evangelische Kirche und brauche keine zweite, wurde Franziskus zitiert. Er war zwar ein Reformer, aber kein Revolutionär.
Die deutschen Katholiken werden nun mit Spannung auf das Konklave in Rom blicken. Wird ein mutiger Reformer auf Franziskus folgen, der den deutschen Bischöfen mehr Spielräume dabei gibt, Fortschritte für Frauen, Wiederverheiratete und queere Menschen durchzusetzen? Oder wird sich ein Konservativer durchsetzen, der Reformbewegungen wie den Synodalen Weg rigoros unterbindet und kritischen Theologen die Lehrerlaubnis entzieht? Die Messlatte für den neuen Papst wird es sein, dass es ihm gelingt die Kirche zu erneuern und damit die Austrittswelle zu stoppen.