Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich auf einen Pandemievertrag geeinigt. Damit widersetzt sie sich dem globalen Trend zum Egoismus. Ob die Solidarität sich im Ernstfall durchsetzt, ist aber fraglich.
Nach der Pandemie ist vor der Pandemie. Experten sind sich sicher: Die nächste weltweite Krankheitswelle wird kommen. Denn Menschen dringen in den Lebensraum von Tieren vor. Der Klimawandel verstärkt Hitze und Überschwemmung. All das macht das Überspringen der Erreger von Tieren auf Menschen wahrscheinlich. Bei Corona war sich jeder selbst der Nächste: Die reichen Staaten horteten Impfstoff und Schutzmaterial, die armen Staaten gingen leer aus. Das soll der WHO-Vertrag in Zukunft verhindern.
Trotzdem ist die Vereinbarung ein zahnloser Tiger. Denn dass die Starken in der Krise mit den Schwachen teilen, ist nicht zu erwarten. Der Vertrag zwingt nicht dazu: Staaten, die das Regelwerk nicht ratifizieren, sind zu nichts verpflichtet. Wer Vereinbarungen bricht, wird nicht bestraft. Zur Prävention sollen reiche Länder Mittel für das Gesundheitssystem armer Länder bereitstellen. Doch ähnliche Finanzzusagen - etwa beim Klimaschutz - blieben in der Vergangenheit meist Lippenbekenntisse. Pharmakonzerne pochen auf Patentschutz: Wer als erster Impfstoffe und Medikamente entwickelt, der verdient das große Geld. Darum will er Rezepte nicht mit Konkurrenten teilen und Präparate nicht an Patienten verschenken. Nur dann lohnt sich die Investition in Forschung und Entwicklung. Darum wird sich bei der nächsten Pandemie das Corona-Szenario wohl wiederholen: In Europa bekommen die Menschen die dritte Impfung, in Afrika warten sie auf die erste. (GEA)