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Nachbarn fordern gemeinsame Lösungen

Union will Migrationsfrage zur Chefsache machen. Deutschsprachige Innenminister pochen auf EU-Regeln

Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erwartet Kooperation bei der Bekämpfung der irregulären Migration. FOTO: SLOVENC
Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erwartet Kooperation bei der Bekämpfung der irregulären Migration. FOTO: SLOVENCIK/APA/DPA
Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erwartet Kooperation bei der Bekämpfung der irregulären Migration. FOTO: SLOVENCIK/APA/DPA

BERLIN. Der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz hatte im Wahlkampf eine Migrationswende ohne Kompromisse angekündigt. Dementsprechend aufmerksam verfolgen die europäischen Nachbarn den anstehenden Kurswechsel in Berlin. Österreich erwartet von der neuen Bundesregierung jedenfalls Kooperation bei der Bekämpfung der irregulären Migration. Das machte Innenminister Gerhard Karner am Dienstag nach einem Treffen mit seinen deutschsprachigen Amtskollegen deutlich. Man gehe davon aus, »dass sich unsere Nachbarländer, insbesondere Deutschland, natürlich an sämtliche Regelungen der Europäischen Union halten werden«, sagte der Politiker der konservativen ÖVP. Er interpretiere den Koalitionsvertrag von Union und SPD dahingehend, dass die Regierung das »Einvernehmen mit den Nachbarn« herstellen will. »Das tut man in einer guten Nachbarschaft.«

Deutschland geschäftsführende Innenministerin Nancy Faeser (SPD) pflichtete ihm zwar bei, zuletzt sorgte das Thema aber für Unstimmigkeiten zwischen Union und SPD. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Formulierung »in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn« legen beide Seiten unterschiedlich aus. Die Sozialdemokraten wollen Zurückweisungen nur bei Zustimmung der Nachbarländer. Die Union würde notfalls die entsprechenden Staaten nur in Kenntnis setzen. Faesers Nachfolger Alexander Dobrindt (CSU) hatte zuletzt am Montag angekündigt, die Zahl der Zurückweisungen an den Grenzen erhöhen zu wollen.

Die Union um den wahrscheinlich künftigen Kanzler Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder sind sich einig, dass sie die Migrationsfrage zur Chefsache machen wollen. Der bayerische Ministerpräsident plant, schon bald zum Antrittsbesuch beim neuen österreichischen Bundeskanzler Christian Stocker nach Wien zu reisen. Merz wiederum hatte im Wahlkampf immer wieder betont, dass er das Verhältnis zu den europäischen Nachbarländern verbessern möchte. Als erste Ziele nach seiner Wahl zum Kanzler am kommenden Dienstag stehen wohl Paris, Brüssel und Warschau auf dem Zettel.

Was die Zurückweisungen an den Grenzen angeht, ist aber eben auch Österreich ein entscheidender Schlüssel für die Bundesregierung. »Das müssen die beiden Kanzler untereinander regeln«, sagte ein führender Unions-Politiker kürzlich im Gespräch mit unserer Redaktion. Der designierte Innenminister Alexander Dobrindt wird es dann sein, der die praktische Umsetzung organisieren muss, ohne sich in rechtlichen Fallstricken zu verheddern.

Eine hohe Erwartungshaltung, doch der CSU-Politiker selbst hat immer wieder betont, dass die Union in der Asylpolitik zum Erfolg verdammt sei, wenn man den Siegeszug der AfD aufhalten wolle. Anders als einst Alt-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und deren Innenminister Horst Seehofer (CSU) werden Merz und Dobrindt hier zumindest in die gleiche Richtung ziehen.

Die Innenminister von Österreich, Liechtenstein, der Schweiz sowie Luxemburg und Deutschland lobten bei ihrem Treffen die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS). Geregelt sind dort unter anderem Asylverfahren für Menschen aus Staaten mit niedriger Schutzquote an den EU-Außengrenzen. In Lagern soll über ihren Schutz entschieden werden. Wird ihr Begehrt abgelehnt, sollen sie direkt abgewiesen werden.

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) dringt darauf, diese Regeln auch einzuhalten. »Die angekündigten Zurückweisungen an den deutschen Binnengrenzen auch von Asylsuchenden dürfen nur innerhalb der Vorgaben des reformierten GEAS umgesetzt werden«, sagte Winfried Kluth, der Vorsitzende des Expertengremiums, unserer Redaktion. »Eine enge Kooperation ist vor allem wichtig, um das neue Grenzverfahren und den Solidaritätsmechanismus zu etablieren.«

»Enge Kooperation ist wichtig, um den Solidaritätsmechanismus zu etablieren«

Gleichzeitig kritisiert er das im Koalitionsvertrag vereinbarte Aus für freiwillige Aufnahmeprogramme, über die zum Beispiel ehemalige Ortskräfte aus Afghanistan evakuiert werden. »Dieses Instrument komplett aufzugeben wäre eine vertane Chance, wenn es darum geht, legale Zuwanderung zu steuern und irreguläre Migration zu verringern.« (GEA)