STUTTGART. Die letzte Flasche ist geleert, Rilling-Sekt aus Gastronomie und Regalen verschwunden. Statt hier Schaumwein auszubauen, könnte auf den Rilling-Kellern in Bad Cannstatt ein Konzerthaus mit 1.100 Plätzen gebaut werden – wenn die Stadt die Trias Immobilien GmbH bauen lässt und 120 Millionen Euro lockermacht. Weil das Regierungspräsidium die städtischen Verschuldungspläne (bis 2028 rund 3,4 Milliarden Euro) moniert, müssten dafür wohl andere Vorhaben gestrichen werden.
Abgewickelt ist der Fall Ludwig Rilling trotz der Pläne nicht. Im Gegenteil, zwei Kontrahenten, die eigentlich gemeinsame Sache machen und die Reste des einst innovativen Schaumweinbereiters verwerten wollten, streiten sich vor Gericht.
Als »strategisch motivierte Transaktion« wurde der Öffentlichkeit der Verkauf der Ludwig Rilling GmbH & Co. KG im Juli 2021 von Benten Capital präsentiert. Das Stuttgarter Beratungshaus, für den gehobenen Mittelstand tätig, hatte laut Branchenkennern seit 2020 versucht, die Sektfirma unter dem Projektnamen Wirtemberg loszuschlagen. Kein einfaches Unterfangen in Coronazeiten, in der selbst Champagnerhäuser den Absatz mit Dumpingpreisen anzukurbeln versuchten.
Positiver Blick in die Zukunft
Als Käufer präsentierte Benten keinen direkten Marktteilnehmer, sondern 2021 einen Projektentwickler aus Aalen: die Trias Verwaltungs GmbH. Die ehemalige Geschäftsführerin Charlotte Rilling sah laut Benten dennoch gute Aussichten für den Fortbestand der in vierter Generation betriebenen Kellerei. Der Pioniergeist von Trias und die Erfahrung der Mitarbeiter lasse sie »für die Rilling-Sektkellerei in Bad Cannstatt sehr positiv in die Zukunft blicken«, betonte die Chefin. Sie sollte weiterhin als kaufmännische Leiterin, ihr Cousin Bernhard Rilling als Betriebsleiter im Unternehmen bleiben.
In Bad Cannstatt war allerdings nie eine Zukunft für Rilling geplant. Das war lange vor der Bekanntgabe des Verkaufs klar. Standort sowie Marke und Produktion sollten in verschiedene Hände gehen. Das hatten die Trias-Geschäftsführer Tobias Grimminger und Cemal Isin mit der Schlossbergkellerei in Althengstett im Mai 2021 vertraglich vereinbart.
Die Marke sollte nicht nur erhalten, ihr sollte zu neuem Glanz verholfen werden, so Schlossberg-Geschäftsführer Ralf Schnaufer. Die Aussage von Charlotte Rilling habe sich nicht auf den konkreten Ort, sondern das Fortbestehen von Rilling-Sekt an sich bezogen. Das Areal in Cannstatt sei für die Produktion nicht geeignet.
Gebäude wird effizienten Produktion nicht mehr gerecht
»Ein historisch gewachsener Standort, der aufgrund der logistisch schwierigen Lage des verwinkelten Gebäudeensembles den heutigen Bedürfnissen einer effizienten Produktion und Auslieferung nicht gerecht werden konnte«, so Schnaufer. Mehrere Stockwerke, veraltete, überdimensionierte Anlagen, dazu ein neun Kilometer entferntes Auslieferungslager in Aldingen – in Cannstatt sollte noch für eine Übergangsphase produziert werden, dann wäre Rilling-Sekt aus Tanks in Althengstett geflossen. Die Schlossberg-Kellerei selbst war 1995 aus der engen Calwer Altstadt an den heute 12.000 Quadratmeter großen Standort gezogen.
Doch dazu kam es nicht. Zwischen der Familienkellerei in Althengstett, die die Marke Rilling sowie einen Teil der Anlagen erwerben wollte, und der Trias entstanden Uneinigkeiten. Im Februar 2023 verkündeten Grimminger und Isin das Aus für den 135 Jahre alten Betrieb, Details wurden nicht genannt, die Öffentlichkeit erfuhr nichts von den Absprachen.
Er bedauere sehr, dass das Projekt gescheitert sei, so Schnaufer. Als Grund nennt er ein »nicht vertragskonformes Verhalten der Isin-Objektgesellschaft« – die in Trias umfirmierte. Die Schlossbergkellerei pochte 2022 vor dem Landgericht Stuttgart auf Vertragserfüllung, vor allem der Übertragung der Nutzungsrechte an Marken- und Namensrechten. Im Frühjahr 2023 versuchte sie mit einer einstweiligen Verfügung, die Veräußerung der Anlagen zu verhindern.
Rücktritt vom Hauptvertrag
Im April 2023 einigten sich die Parteien laut der 31. Kammer für Handelssachen nach »sehr umfangreichen Verhandlungen« auf einen Teilvergleich. Kurz darauf kam es aber erneut zum Zerwürfnis, die Schlossbergkellerei trat vom Hauptvertrag zurück und fordert von Isin und Grimminger inzwischen Schadenersatz für entgangenen Gewinn. Es geht um einen hohen einstelligen Millionenbetrag. Die Trias erhob Widerklage, auch sie macht nun vor Gericht Schadenersatz wegen entgangenen Gewinns und Folgeschäden in Millionenhöhe geltend.
Man habe mit einem erfahrenen Partner Rilling erhalten wollen, lassen Cemal Isin und Tobias Grimminger auf Anfrage unserer Zeitung über eine PR-Agentur mitteilen. Die Verhandlungen dazu seien jedoch nicht erfolgreich gewesen. Zum Grundstück gelte, dass man sich »vollständig an die Bedingungen des Kaufvertrags gehalten« habe und daher das alleinige und uneingeschränkte Verwertungsrecht über das 5.712 Quadratmeter große Areal habe. Die Beziehung zur Schlossbergkellerei »kann nicht Gegenstand öffentlicher Berichterstattung sein«, so das Statement der beiden Geschäftsführer.
Das Verfahren sei komplex, die Papiere seien umfangreich, es gebe daher noch keinen neuen Verhandlungstermin, sagt das Gericht. (GEA)