REUTLINGEN. Der Besuch von Präsident Selenskyj in Deutschland stand unter keinem guten Stern. Das eigentlich geplante Gipfeltreffen mit US-Präsident Joe Biden in Ramstein musste wegen eines Monster-Hurrikans abgesagt werden. Nun fällt alles eine Nummer kleiner aus. Kanzler Scholz und die anderen europäischen Verbündeten sicherten dem ukrainischen Präsidenten weitere militärische Unterstützung zu. Keine Kleinigkeit angesichts der Wahlergebnisse in Ostdeutschland. Sie zeigen ganz klar, dass große Teile der Bevölkerung in Deutschland kriegsmüde sind.
Siegesplan als Lockmittel
Präsident Selenskyj spürt die zunehmende Kriegsmüdigkeit in Deutschland und die wachsende Sorge in vielen EU-Staaten vor einem jahrelangen Zermürbungskrieg in der Ukraine. Deshalb spricht er etwas großspurig von einem Siegesplan und stellt die Gebietsgewinne in der russischen Region um Kursk als famosen Erfolg dar. Doch in einem Punkt hat Selenskyj recht: Wer Frieden will, der muss alles dafür tun, dass sich ein Krieg für Russland nicht mehr lohnt. Das geht nur durch weitere militärische Unterstützung der Ukraine. Weniger Waffen bedeuten eben nicht weniger Tote auf dem Schlachtfeld. Wer den Krieg beenden will, muss die Ukraine aufrüsten und dafür sorgen, dass keine Seite die andere militärisch besiegen kann.
Dennoch kann Kanzler Scholz die Erfolge des Bündnisses Sahra Wagenknecht nicht ignorieren. Der Wunsch nach einer diplomatischen Lösung wächst. Deshalb darf man den Konflikt nicht auf die militärische Auseinandersetzung in der Ukraine verengen. Denn die politische Ursache für den russischen Angriffskrieg ist die Ausdehnung der Nato nach Osten. Egal, ob das gerechtfertigt sein mag oder nicht. Wer Frieden will, wird in diesem Punkt Gesprächsbereitschaft zeigen müssen.